Die Presse

„Trojanisch­er Esel“: Debatte um Spionage und die Rolle der FPÖ

Alle Parteien kritisiere­n die Rolle der Freiheitli­chen in der Affäre um verkaufte Geheim-Infos. Die FPÖ spricht von „Desinforma­tion der Einheitspa­rtei“.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Die Einführung einer Leerstands­abgabe für Wohnungen, der Handwerker­bonus oder die Neugestalt­ung der Lehrer-Ausbildung stehen am Mittwoch auf der Tagesordnu­ng des Nationalra­ts. Die Debatten drehen sich aber um ein anderes Thema: Die Spionageaf­färe um Egisto Ott und der angebliche Verkauf von Geheim-Informatio­nen an Russland erhitzen die Gemüter.

Die ÖVP hat das Thema gleich eingangs in der „Aktuelle Stunde“aufs Tapet gebracht. Es geht um eine Abrechnung mit der FPÖ, die Volksparte­i setzt seit Tagen auf das Thema. Generalsek­retär Christian Stocker startet die Angriffe: Unter Innenminis­ter Herbert Kickl sei der Staatsschu­tz zerstört worden. Heute sei klar, dass ein Netzwerk rund um den mutmaßlich­en Spion Egisto Ott die Grundlagen für die Razzia im BVT geliefert habe und dieses Netzwerk enge Verbindung­en zur FPÖ gehabt habe.

Viele Taferln im Umlauf

Stocker bereitet das von ihm vermutete Netzwerk grafisch auf, auf einem Taferl sieht man die Verbindung­en von Ott zu FPÖlern und von diesen zu Kickl. Auch die FPÖ hat Taferln vorbereite­t, sie zeigen das bekannte Foto von Ex-Wirecard-Chef Jan Marsalek mit ÖVP-Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka. Die FPÖ sei in Wirklichke­it ein Russland-Trojaner, sagt Stocker. „Die Frage ist nur, ob ein trojanisch­es Pferd oder ein trojanisch­er Esel.“

Auch die Grüne Klubchefin Sigrid Maurer stimmt in die Anti-Kickl Strategie ein. Sie kritisiert die „mutwillige Zerschlagu­ng des Staatsschu­tz“durch die überfallsa­rtigen Razzia unter Kickl als Innenminis­ter. Der FPÖ hält sie enge Verbindung­en nach Russland vor und verweist auf den Freundscha­ftsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland. Dieser sei entgegen der Aussagen der FPÖ „nach wie vor aufrecht“. „Ja wo ist denn die Kündigung?“, fragt Maurer in Richtung FPÖ und wirft ihr Unglaubwür­digkeit in dieser Frage vor.

SPÖ und Neos gehen das Thema etwas differenzi­erter an. Auch sie schießen sich auf die FPÖ ein – aber nicht nur auf diese. SPÖ-Sicherheit­ssprecher Reinhold Einwallner spricht von einem „unwürdigen Schauspiel“, dass FPÖ und ÖVP, welche seit 24 Jahren das Innenminis­terium führen, nun die Verantwort­ung hin und her schieben würden. Die ÖVP erinnert er daran, dass der heutige Bundeskanz­ler Karl Nehammer damals als ÖVP-Generalsek­retär die BVT-Razzia öffentlich unterstütz­t hatte.

„Kindeswegl­egung der ÖVP“

„Es ist unfassbar, wie sie die Geschichte umschreibe­n und sich aus der Verantwort­ung stehlen“, sagt auch Neos-Mandatarin Stephanie Krisper und wirft der ÖVP „Kindeswegl­egung“vor. Schließlic­h sei es die ÖVP gewesen, die die FPÖ an die Regierung gebracht und auch zugelassen habe, dass Kickl Innenminis­ter wurde.

Und die FPÖ? Parteichef Herbert Kickl sitzt gemeinsam mit dem Dritten Nationalra­tspräsiden­ten Norbert Hofer auf seinem angestammt­en Platz in der ersten Reihe, gibt sich gut gelaunt und feixend und fällt mit zahlreiche­n Zwischenru­fen auf. Auf der Rednerlist­e steht er nicht, geht dann aber spontan doch ans Podium, um mit einer sehr emotionale­n Rede zu kontern. Das sei keine aktuelle Stunde, sondern die „Stunde der Desinforma­tion der Einheitspa­rtei“sagt er.

Was die Wahrheit aus seiner Sicht ist? Dass das BVT zum Zeitpunkt seines Amtsantrit­ts als Innenminis­ter eine „verwahrlos­te, herunterge­kommene Einrichtun­g“gewesen, geprägt von Schlampere­ien. Dieser „desaströse Zustand“sei das Ergebnis der jahrzehnte­langen ÖVP-Verantwort­ung in diesem Bereich gewesen, die damit den „Nährboden“für den Informatio­nsabfluss aufbereite­t habe. Die Razzia im BVT sei in der Verantwort­ung der Justiz gelegen und nicht in der des Innenminis­ters, die Anzeige seines Generalsek­retärs, die dazu geführt hat, sei nicht ein Anschlag gewesen, sondern die „Erfüllung einer gesetzlich­en Pflicht“. „Ja wissen Sie das nicht“, so Kickl zu den Abgeordnet­en in nun schon deutlich gehobener Lautstärke. „Das ist ja nur noch erbärmlich.“

Leerstands­abgabe und Tempo 30

Inhaltlich­e Entscheidu­ngen gibt es dann auch noch. So beschließt der Nationalra­t mit Zustimmung auch der SPÖ, dass die Länder künftig eine effektive Leerstands­abgabe einheben können. Entspreche­nde Abgaben fallen bereits in den meisten Ländern an, allerdings können sie nur eingeschrä­nkt verhängt werden. Nunmehr gibt der Bund die Abgabe quasi frei. Mehrere Länder haben schon angekündig­t, davon Gebrauch zu machen.

Mehr Rechte gibt es auch für die Gemeinden, sie können künftig einfacher Tempo 30 verhängen. Gemäß Gesetzeste­xt kann die Behörde in Ortsgebiet­en in Bereichen mit besonderem Schutzbedü­rfnis wie z.B. Schulen, Kindergärt­en, Krankenhäu­sern oder Seniorenei­nrichtunge­n die erlaubte Höchstgesc­hwindigkei­t verringern, sofern die Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssi­cherheit von Fußgängern oder Radfahrern geeignet ist.

Claudia Plakolm (ÖVP) kann nun offiziell Digitalisi­erungs-Staatssekr­etärin werden. Das Bundesmini­sterienges­etz wurde entspreche­nd geändert.

 ?? [APA / Helmut Fohringer] ?? Taferlkrie­g: Herbert Kickl präsentier­t eine Foto mit Wolfgang Sobotka und Jan Marsalek.
[APA / Helmut Fohringer] Taferlkrie­g: Herbert Kickl präsentier­t eine Foto mit Wolfgang Sobotka und Jan Marsalek.

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