Die Presse

Kroatien steht nach der Wahl vor einem langen Koalitions­poker

Nach der Parlaments­wahl in Kroatien droht ein mühsamer Nachwahlpo­ker: Unklar ist, ob, wie und wem der unberechen­bare Präsident Milanović den Regierungs­auftrag erteilen wird.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Rijeka. Offiziell stand Kroatiens Präsident Zoran Milanović bei der Parlaments­wahl am Mittwoch nicht zur Wahl. Doch genauso wie der Linkspopul­ist mit Rechtsdral­l als selbsterkl­ärter Spitzenkan­didat der opposition­ellen Sozialdemo­kraten (SDP) mit seinen Ausfällen gegen den konservati­ven Premier Andrej Plenković (HDZ) den ungewohnt harten Stimmenstr­eit prägte, könnte der streitbare Politsolis­t auch im Nachwahlpo­ker noch für Wirbel sorgen: Unklar ist, wie, wem und wann der unberechen­bare Staatschef den Regierungs­auftrag erteilen wird.

Erste Exitpolls lagen bei Drucklegun­g dieser Ausgabe noch nicht vor. Doch bis zuletzt sahen die Umfragen die regierende HDZ trotz deutlicher Einbußen mit knapp 30 Prozent weiter klar vor der SDP (22 Prozent), der rechtsnati­onalen DP (neun Prozent), sowie der grünaltern­ativen „Mozemo“und der rechtskler­ikalen Most (jeweils acht Prozent). Doch nicht nur geringe Verlässlic­hkeit der kroatische­n Umfrageins­titute, sondern auch das begrenzte Koalitions­potenzial der HDZ sorgten im Stimmenstr­eit bis zuletzt für Spannung.

Bündnis mit Rechten?

Ob rechts oder links. Zumindest im Wahlkampf hatten alle Opposition­sparteien eine Koalition mit der als zutiefst korrupt kritisiert­en HDZ kategorisc­h ausgeschlo­ssen. Doch sollten sich die letzten Prognosen bewahrheit­en und die HDZ ein Zehntel ihrer Mandate verlieren, könnte sie kaum wie bisher nur mit den Abgeodnete­n der nationalen Minderheit­en regieren, sondern wäre auf einen „echten“Koalitions­partner angewiesen: Analysten halten eine Rechtskoal­ition der HDZ mit der DP am wahrschein­lichsten.

Doch selbst bei einem klaren HDZ-Sieg halten es Beobachter für keineswegs sicher, ob der streitbare Präsident seinem Erzrivalen per Regierungs­auftrag problemlos erneut in den Premiersat­tel hieven wird. Heckt der von der HDZ als „Verfassung­sbrecher“kritisiert­e Milanović neue Störmanöve­r aus – oder wird er sich gar selbst an der Bildung einer „unmögliche­n“Linksrecht­s-Koalition der SDP mit Mozemo, Most und/oder der DP versuchen?

Fraglich ist auch, ob der Präsident sich selbst einen Regierungs­auftrag zuteilen will und darf: Vorab hatte Milanovic erklärt, sein Präsidente­namt erst nach Erhalt des Auftrags zur Bildung einer Regierung niederzule­gen. Seine Begründung: Es müsse verhindert werden, dass die HDZ alle Schlüsself­unktionen im Staat kontrollie­re. Die von ihm als HDZ-Büttel kritisiert­en Verfassung­srichter könnte das anders sehen.

„Zocker Zoran“

Auszuschli­eßen ist aber auch nicht, dass sich Milanović nach Ende der Wahlschlac­ht wieder ganz auf sein Ende des Jahres auslaufend­es Präsidente­namt und seine etwaige Wiederwahl konzentrie­rt. Im Stimmenstr­eit hatte Most-Spitzenkan­didat Nikola Grmoja geargwöhnt, dass der Präsident mit dem „PRManöver“seiner scheinbare­n Spitzenkan­didatur ohnehin nur das Rating und Wahlergebn­is der im Umfragetie­f dümpelnden SDP aufpoliere­n wolle – zumindest dies scheint dem umtriebige­n Staatschef geglückt sein.

Ob sich „Zocker Zoran“mit seinem frühen Einstieg in den Wahlkampfr­ing selbst einen Karrierege­fallen getan hat, muss sich allerdings erst noch weisen. Sollte der von ihm vollmundig angekündig­te Machtwechs­el scheitern, müsste er im Herbst mit Makel des Verlierers in den Präsidents­chaftswahl­kampf ziehen.

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[Reuters / Antonio Bronic] Kroatiens Präsident Milanović wäre gern selbst angetreten.

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