Kroatien steht nach der Wahl vor einem langen Koalitionspoker
Nach der Parlamentswahl in Kroatien droht ein mühsamer Nachwahlpoker: Unklar ist, ob, wie und wem der unberechenbare Präsident Milanović den Regierungsauftrag erteilen wird.
Rijeka. Offiziell stand Kroatiens Präsident Zoran Milanović bei der Parlamentswahl am Mittwoch nicht zur Wahl. Doch genauso wie der Linkspopulist mit Rechtsdrall als selbsterklärter Spitzenkandidat der oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) mit seinen Ausfällen gegen den konservativen Premier Andrej Plenković (HDZ) den ungewohnt harten Stimmenstreit prägte, könnte der streitbare Politsolist auch im Nachwahlpoker noch für Wirbel sorgen: Unklar ist, wie, wem und wann der unberechenbare Staatschef den Regierungsauftrag erteilen wird.
Erste Exitpolls lagen bei Drucklegung dieser Ausgabe noch nicht vor. Doch bis zuletzt sahen die Umfragen die regierende HDZ trotz deutlicher Einbußen mit knapp 30 Prozent weiter klar vor der SDP (22 Prozent), der rechtsnationalen DP (neun Prozent), sowie der grünalternativen „Mozemo“und der rechtsklerikalen Most (jeweils acht Prozent). Doch nicht nur geringe Verlässlichkeit der kroatischen Umfrageinstitute, sondern auch das begrenzte Koalitionspotenzial der HDZ sorgten im Stimmenstreit bis zuletzt für Spannung.
Bündnis mit Rechten?
Ob rechts oder links. Zumindest im Wahlkampf hatten alle Oppositionsparteien eine Koalition mit der als zutiefst korrupt kritisierten HDZ kategorisch ausgeschlossen. Doch sollten sich die letzten Prognosen bewahrheiten und die HDZ ein Zehntel ihrer Mandate verlieren, könnte sie kaum wie bisher nur mit den Abgeodneten der nationalen Minderheiten regieren, sondern wäre auf einen „echten“Koalitionspartner angewiesen: Analysten halten eine Rechtskoalition der HDZ mit der DP am wahrscheinlichsten.
Doch selbst bei einem klaren HDZ-Sieg halten es Beobachter für keineswegs sicher, ob der streitbare Präsident seinem Erzrivalen per Regierungsauftrag problemlos erneut in den Premiersattel hieven wird. Heckt der von der HDZ als „Verfassungsbrecher“kritisierte Milanović neue Störmanöver aus – oder wird er sich gar selbst an der Bildung einer „unmöglichen“Linksrechts-Koalition der SDP mit Mozemo, Most und/oder der DP versuchen?
Fraglich ist auch, ob der Präsident sich selbst einen Regierungsauftrag zuteilen will und darf: Vorab hatte Milanovic erklärt, sein Präsidentenamt erst nach Erhalt des Auftrags zur Bildung einer Regierung niederzulegen. Seine Begründung: Es müsse verhindert werden, dass die HDZ alle Schlüsselfunktionen im Staat kontrolliere. Die von ihm als HDZ-Büttel kritisierten Verfassungsrichter könnte das anders sehen.
„Zocker Zoran“
Auszuschließen ist aber auch nicht, dass sich Milanović nach Ende der Wahlschlacht wieder ganz auf sein Ende des Jahres auslaufendes Präsidentenamt und seine etwaige Wiederwahl konzentriert. Im Stimmenstreit hatte Most-Spitzenkandidat Nikola Grmoja geargwöhnt, dass der Präsident mit dem „PRManöver“seiner scheinbaren Spitzenkandidatur ohnehin nur das Rating und Wahlergebnis der im Umfragetief dümpelnden SDP aufpolieren wolle – zumindest dies scheint dem umtriebigen Staatschef geglückt sein.
Ob sich „Zocker Zoran“mit seinem frühen Einstieg in den Wahlkampfring selbst einen Karrieregefallen getan hat, muss sich allerdings erst noch weisen. Sollte der von ihm vollmundig angekündigte Machtwechsel scheitern, müsste er im Herbst mit Makel des Verlierers in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen.