Die Presse

Chinas Comeback: Holprig, aber fulminant

Das Reich der Mitte ist endgültig zurück auf dem Weg zur Sportmacht, die Formel 1 ist nur ein Vorgeschma­ck.

- VON JOSEF EBNER E-Mails an: josef.ebner@diepresse.com

Als in Österreich die Masken fielen und sich die Lokale wieder füllten, wurde auf dem Shanghai Internatio­nal Circuit, dort, wo sonst die Formel-1-Boliden ihre Runden drehten, gerade ein neues provisoris­ches Corona-Krankenhau­s mit über 13.000 Betten eröffnet. Nun, fast genau zwei Jahre später, darf die Rennstreck­e wieder ihrem eigentlich­en Zweck nachkommen und einen Grand Prix beherberge­n – womit dieses Wochenende nach allen Lockdowns und Einreisebe­schränkung­en die endgültige Rückkehr Chinas in den Weltsport markiert.

2019 war in Shanghai zuletzt gefahren worden, ehe Chinas gnadenlose Null-Covid-Politik den Sport im Land völlig zum Erliegen brachte. Mit der Ausnahme jenes Wahnwitzes in der „Bubble“von Peking, der dem Rest der Welt als Olympische Winterspie­le 2022 verkauft worden war.

Nun, da der Spuk auch in China zu Ende ist, sind die Sportorgan­isatoren ganz erpicht darauf, wieder lukrative Events in der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt zu veranstalt­en – oder im Fall der Formel 1 auf dem größten Automobilm­arkt der Welt. Nicht einmal die Netflix-Erfolgsser­ie „Drive to Survive“konnten die Chinesen während der fünfjährig­en F1-Abwesenhei­t schauen, weil der Streamingd­ienst in China nicht empfangbar ist, und doch hätte der ShanghaiGP gleich drei Mal restlos ausverkauf­t werden können, trotz Preisen von umgerechne­t bis zu knapp 500 Euro.

Auch die Tennisturn­iere von ATP und WTA sind zurück im Land, die Kletterer sind hier in ihre Weltcupsai­son gestartet, und Peking hat sich Großevents wie die Leichtathl­etik-WM 2027 und SchwimmWM 2029 gesichert. Gekrönt wird Chinas Comeback auf der Sportbühne aber wohl schon heuer, im Jahr des Drachen, in Paris.

Einer Vorhersage der Experten von Gracenote Sports zufolge wird China bei den Sommerspie­len ab 26. Juli insgesamt 89 Medaillen abräumen, davon 35 in Gold. Das Reich der Mitte wird damit hinter den USA den Medaillens­piegel anführen.

Natürlich ist nicht alles eitel Wonne unter Hammer und Sichel: Chinas Fußballamb­itionen hat die Pandemie endgültig ins Abseits befördert. Die Dollarmill­iarden, mit denen Fußballsta­rs ins Land gelockt wurden, sind verpufft, die Immobilien­krise versetzte der Chinese Super League dann endgültig den Todesstoß, schließlic­h waren mehr als die Hälfte der Topklubs im Besitz von Immobilien­firmen.

Und auch auf dem Shanghai Circuit holpert es im wahrsten Sinn des Wortes. Die von 2019 bekannten Bodenwelle­n gibt es immer noch – angeblich, weil China trotz fünf Jahren Rennpause die Wartungsar­beiten verschlafe­n hat.

Gekrönt wird die Rückkehr in Paris, mit Sommerspie­len im Zeichen von Hammer und Sichel.

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