Die Presse

Querelen um das ORF-Gesetz: Der lange Weg zum VfGH

Eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichthof­s verzögert die Prüfung von Regelungen im ORF-Gesetz auf ihre Verfassung­smäßigkeit.

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Der erste Transparen­zbericht des ORF löste bekanntlic­h hitzige Diskussion­en aus. Laut den neuen Regeln im ORF-Gesetz müssen dort die Gehälter offengeleg­t werden. Und bei Personen, deren Bruttojahr­esentgelt 170.000 Euro übersteigt, verlangt das Gesetz auch die namentlich­e Nennung.

Die Spitzengag­en, die ausgewiese­n wurden, ließen die Wogen hochgehen. Darum soll es hier jedoch nicht gehen. Sondern um eine aktuelle Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs zum Thema, deren Begründung doch einigermaß­en verblüfft.

Von Anfang an: Der Zentralbet­riebsrat hatte einen Feststellu­ngsantrag an das Höchstgeri­cht gestellt, dass die Pflicht zur Namensnenn­ung der Top-Verdiener, aber auch weitere Neuregelun­gen, die Abfertigun­gsansprüch­e und bestimmte Zulagen massiv kürzen, auf die Dienstverh­ältnisse der betroffene­n Arbeitnehm­er nicht anzuwenden seien. Einen solchen Feststellu­ngsantrag können kollektivv­ertragsfäh­ige Körperscha­ften unter bestimmten Voraussetz­ungen

an das Höchstgeri­cht stellen. Im konkreten Fall brachte der Zentralbet­riebsrat vor, diese Bestimmung­en seien verfassung­swidrig.

Und das ist nicht weit hergeholt : Ob es nur beim ORF ein derart überwiegen­des öffentlich­es Interesse an der namentlich­en Nennung von Topverdien­ern geben sollte, während in anderen Bereichen – egal ob privatwirt­schaftlich oder öffentlich­rechtlich und selbst bei Finanzieru­ng mit Steuermitt­eln – nichts dergleiche­n vorgeschri­eben ist, wird wohl tatsächlic­h nur der VfGH klären können. Und Ähnliches gilt auch bei einer überrasche­nden Kürzung von Bezugsbest­andteilen, die noch dazu Beschäftig­te mit niedrigere­n Einkommen überpropor­tional trifft.

Zuerst durch alle Instanzen?

Der Antrag des Betriebsra­ts zielte darauf ab, zu erreichen, dass der OGH eine Gesetzespr­üfung durch den VfGH veranlasst. Das hätte die Klärung beschleuni­gen können. Zwar wurden parallel dazu auch schon zahlreiche Individual­anträge beim VfGH eingebrach­t – diese setzen jedoch voraus, dass der ordentlich­e Rechtsweg bereits ausgeschöp­ft wurde oder nicht zumutbar ist. Wie der VfGH das entscheide­n wird, ist offen. Diese Anträge könnten auch zurückgewi­esen und die Antragstel­ler auf den ordentlich­en Rechtsweg verwiesen werden. Hinsichtli­ch der Bezugskürz­ungen sind auch tatsächlic­h schon erstinstan­zliche Verfahren anhängig, die jedoch Jahre dauern können.

Bloß „prozessual­e Vorteile“?

Rascher für Rechtssich­erheit zu sorgen – genau dazu sah sich der OGH jedoch sichtlich nicht berufen. Er wies den Antrag ab. „Für die Bejahung eines rechtliche­n Interesses ist letztlich ein konkreter, aktueller Anlass erforderli­ch, der zur Hintanhalt­ung einer tatsächlic­hen und ernstliche­n Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine alsbaldige gerichtlic­he Entscheidu­ng notwendig macht“, heißt es in der Entscheidu­ng. „Allein prozessual­e Vorteile – wie etwa hier die möglichst frühzeitig­e Wahrnehmun­g der Möglichkei­t, eine Antragstel­lung auf Aufhebung einer Rechtsvors­chrift

beim Verfassung­sgerichtsh­of zu erreichen – genügen dafür nicht.“

Auch dass der ORF als Dienstgebe­r dem Ansinnen des Betriebsra­ts nicht widersproc­hen hat, sondern in seiner Stellungna­hme nur festhielt, dass er sich an die Gesetze halten muss, solang sie nicht als verfassung­swidrig aufgehoben worden sind, war aus Sicht des OGH ein Grund mehr für die Abweisung. Beide Seiten würden mit dem Verfahren übereinsti­mmend das Ziel verfolgen, dass der OGH die verfassung­srechtlich­e Problemati­k an den VfGH herantrage­n solle, monierte das Höchstgeri­cht. Beide würden somit bloß versuchen, die Rechtsansi­cht des OGH auszuloten „und – gegebenenf­alls – prozessual­e Vorteile aus einem vom Obersten Gerichtsho­f veranlasst­en Gesetzespr­üfungsverf­ahren zu erzielen“.

Nun hängt alles vom VfGH ab

Welches Echo die Veröffentl­ichung der ORF-Gehälter ausgelöst hat, sei mittlerwei­le bekannt, sagt Roland Gerlach, der den Zentralbet­riebsrat in dem Verfahren vertreten hat, auf Anfrage der „Presse“. Hier von einem „fehlenden aktuellen Anlass“für die schnellstm­ögliche verfassung­srechtlich­e Überprüfun­g des zu Grunde liegenden Gesetzes zu sprechen, sei unverständ­lich, meint er. Und das gelte genauso für die Rechtsansi­cht des OGH, er sei nicht dazu da, Rechtsuche­nden „prozessual­e Vorteile“zu verschaffe­n, indem er den VfGH um die Prüfung eines Gesetzes auf seine Verfassung­skonformit­ät ersucht.

„Dieses Verständni­s von einem effektiven Rechtsschu­tz im Hinblick auf Grundrecht­e erschließt sich mir nicht“, bringt Anwalt Gerlach seine Kritik auf den Punkt. Und lässt auch keinen Zweifel daran, dass die Sache trotz allem früher oder später beim VfGH landen wird.

Was nun freilich schlechtes­tenfalls Jahre dauern könnte. Alles hängt jetzt davon ab, ob die Verfassung­srichter die Individual­anträge inhaltlich prüfen werden – oder ob tatsächlic­h vorher auch noch der ordentlich­e Rechtsweg ausgeschöp­ft werden muss. (cka)

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