Die Presse

Der Wald schützt uns – wir müssen ihn pflegen

Der Wald ist ein komplexes Ökosystem, noch komplexer sind unsere Ansprüche an ihn.

- VON GREGOR GRILL

Wenn Martin Balluch in der „Presse“als Replik auf Josef Pröll schreibt (8. 4.), dass „uns“die Forstwirts­chaft an den Abgrund führt, ist das eine gefährlich­e Sache. Doch Aktivisten wie Balluch leben von Aufmerksam­keit, deshalb genug damit.

Worum geht es bei der Waldbewirt­schaftung? Nicht um die Bäume geht es, sondern um die Menschen dahinter und drumherum. In Salzburg begeht man heuer ein bemerkensw­ertes Jubiläum – 500 Jahre Forstgeset­zgebung. Brachten vor 500 Jahren die Sudpfannen (Salz) der Erzbischöf­e den Wald arg in Bedrängnis, so sind es heute Theorien über die Wildnis und das „Nichtstun“im Wald. Denn eines eint beide Vorgangswe­isen – der Mensch leidet am Ende darunter. Über rund 400 Jahre waren es große Hochwasser, die die Städte bis Anfang des 20. Jahrhunder­ts heimsuchte­n, da der Waldanteil rund 25 Prozent an der Landesfläc­he betrug und das Wasser nicht bremsen oder speichern konnte. Heute liegt der Waldanteil in Österreich bei mehr als 50 Prozent. Wenn es Wildnis im Wald gibt, dann droht eine neue Verwahrlos­ung.

Deshalb stellen sich zwei große Richtungen zur Wahl: Entweder werden die Bedürfniss­e der Bevölkerun­g und der Waldbesitz­er weiterhin in den Mittelpunk­t gestellt, oder die einer mehr oder minder unberührte­n Natur, die es in Österreich so nicht gibt. Denn Natur heißt, ohne menschlich­en Einfluss. Wenn man den Bedürfniss­en der Menschen folgt, dann brauchen wir saubere und gepflegte Wälder, die uns den wunderbare­n Erholungsr­aum bieten, den die Bevölkerun­g so schätzt. Wälder, die für sauberes Wasser sorgen, uns vor Lawinen, Hochwasser und Muren natürlich schützen und die Bau- und Brennholz bringen und die Heimat vieler Arten sind.

Diese Wälder müssen immer und ständig gepflegt werden. Insbesonde­re dann, wenn der Klimawande­l so auf sie einwirkt, dass Konzepte der Vergangenh­eit angepasst werden müssen. Das tut die Forstwirts­chaft, denn sie hat aus den Fehlern der vergangene­n 500 Jahre gelernt. Es ist herausford­ernd genug, mit Variablen zu planen, die Forstleute und Waldbesitz­er nicht in der Hand haben, wie die Klimaverän­derung. Auch Harvester (Maschinen zur Holzernte) sind ein Teil der Lösung, weil diese gerade bei Schadholza­ufarbeitun­g viele Leben retten. Klarerweis­e müssen solche Maschinen möglichst schonend eingesetzt werden und, wenn möglich, immer auf den gleichen Wegen fahren, damit der Boden nicht flächig verdichtet wird. Kahlschläg­e sind mittlerwei­le eine beinahe aussterben­de Art in Österreich, kleinfläch­ige und einzelstam­mweise Nutzungen sind die Regel geworden. Den Wald zu pflegen heißt aber auch, auf die Arten und Lebensräum­e zu achten. Das ist gängige Praxis und wird durch die geltenden Gesetze und vor allem durch die Vollzugspr­axis sichergest­ellt.

Der Wald braucht uns nicht

Die andere Möglichkei­t besteht darin, den Menschen und seine Bedürfniss­e aus dieser Gleichung herauszune­hmen. Das hatten wir aber schon, und das hat sich fatal ausgewirkt. Dann sieht nicht nur der Wald anders aus, sondern auch die Situation für den Menschen, der auch in der Stadt wie bis vor knapp 100 Jahren wieder die Naturgewal­ten spüren wird, wenn man es zulässt. Auch wird der erholsame Spaziergan­g im Wald nur möglich bleiben, wenn es jemanden gibt, der gefährlich­e Bäume am Wegesrand entfernt und die Wege selbst pflegt. Dazu ist es notwendig, auch etwas erwirtscha­ften zu können.

Der Wald selbst braucht uns Menschen nicht, wir aber den Wald. Entscheide­n Sie bitte selbst, auf welche Karte Sie setzen wollen.

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