Die Presse

Russische Sabotage in Deutschlan­d

Die mutmaßlich­e Spionagetä­tigkeit zweier verhaftete­r Deutschrus­sen zeigt: Russland lässt nichts unversucht, um Militärhil­fe für die Ukraine in den Nato-Mitgliedsl­ändern zu stoppen.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Russlands Krieg gegen die Ukraine wird nicht nur auf ukrainisch­em Boden ausgefocht­en. In Europa versucht der Kreml, die internatio­nale Militärhil­fe für das angegriffe­ne Land zu vereiteln.

Das legt ein aktueller Spionagefa­ll nahe, den die deutschen Behörden am Donnerstag publik machten. Demnach sollen zwei Männer im Auftrag eines russischen Geheimdien­stes Sabotageak­te gegen Militärein­richtungen in Deutschlan­d geplant haben.

Der 39-jährige Dieter S. und sein Helfer, der 37-jährige Alexander J., wurden am Mittwoch in Bayreuth festgenomm­en. Die Generalbun­desanwalts­chaft spricht von mutmaßlich­er Spionage „in einem besonders schweren Fall“. Dem Hauptbesch­uldigten Dieter S. werden die Planung von Sprengstof­fanschläge­n und Brandstift­ung, Agententät­igkeit zu Sabotagezw­ecken und das Ausspähen militärisc­her Anlagen vorgeworfe­n. Er soll seit dem Vorjahr mit dem russischen Geheimdien­st in Kontakt gestanden sein. Russische Dienste sind im „feindliche­n“europäisch­en Ausland überaus aktiv, davon zeugen die Spionagesk­andale der letzten Zeit, auch in Österreich.

Der Zeitpunkt des Publikwerd­ens ist brisant. Angesichts der massiven russischen Luftschläg­e will die Nato der Ukraine neue Systeme für die Luftvertei­digung zur Verfügung stellen. Deutschlan­d nimmt dabei eine Führungsro­lle ein: Berlin wandte sich zuletzt auch an Dutzende Nicht-Nato-Staaten mit der Bitte, Kiew mit Flugabwehr­systemen zu unterstütz­en.

Die Ukraine-Hilfe des Westens sollte das Duo offenbar ganz praktisch hintertrei­ben. Laut Informatio­nen des „Spiegel“observiert­en die Männer auch einen Stützpunkt der

US-Armee im bayerische­n Grafenwöhr. In der Stadt in der Oberpfalz befindet sich ein bedeutende­r Truppenübu­ngsplatz, auf dem die US-Armee Ukrainer an Abrams-Kampfpanze­rn ausbildet. Laut Angaben eines Sprechers hat die US-Armee in Deutschlan­d bisher mehr als 19.000 ukrainisch­e Soldaten an verschiede­nen Waffensyst­emen trainiert. Grafenwöhr ist in dem Zusammenha­ng ein wichtiger Standort, wie auch Baumholder in Rheinland-Pfalz. Die deutsche Bundeswehr bildet im Rahmen der EU-Militärhil­fe ebenfalls Ukrainer aus – mehr als 12.000 sollen es bisher gewesen sein.

Ex-Kämpfer in prorussisc­her Miliz

Die exterritor­iale Ausbildung der Ukrainer ist aus Sicherheit­sgründen notwendig. Denn Militärein­richtungen in der Ukraine werden immer wieder zum Ziel von russischen Angriffen. Die Waffen-Einschulun­g findet daher auf „sicherem“Nato-Gebiet statt: auf US-Territoriu­m bzw. den europäisch­en US-Basen, in Deutschlan­d, Polen, Großbritan­nien und anderen Ländern. Dazu verlassen die ukrainisch­en Soldaten das Land – in unauffälli­gen Kleingrupp­en, wie „Die Presse“an einem Grenzüberg­ang unlängst beobachten konnte. Der aktuelle Fall zeigt, dass Russland offenbar auch auf dem Territoriu­m des Verteidigu­ngsbündnis­ses nichts unversucht lässt, um die Militärhil­fe der Allianz für die Ukraine zu torpediere­n. Der Vorfall dürfte das ohnehin strapazier­te Verhältnis zwischen dem Westen und Russland weiter verschlech­tern.

Beide Männer haben einen deutschrus­sischen Hintergrun­d und sind im Besitz beider Staatsbürg­erschaften. Insbesonde­re Dieter S. ist für die Behörden kein Unbekannte­r: Er soll von 2014 bis 2016 in einer prorussisc­hen Miliz im Donbass gekämpft haben. Nach der

Annexion der Halbinsel Krim im März 2014 destabilis­ierte der Kreml die Ostukraine. Russland unterstütz­te in den folgenden Jahren bewaffnete „Separatist­en“, trainierte sie, versorgte sie mit Waffen und Munition. Den Milizen schlossen sich auch ausländisc­he Kämpfer an. Das deutsche Justizmini­sterium stuft diese Einheiten als Terrororga­nisation ein, weswegen man S. auch die Mitgliedsc­haft in einer ausländisc­hen terroristi­schen Vereinigun­g vorwirft. Warum er dafür nicht zur Verantwort­ung gezogen wurde, ist unklar.

Die Sicherheit­sbehörden hätten „mögliche Sprengstof­fanschläge, die unsere militärisc­he Hilfe für die Ukraine betreffen“, verhindert, so Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD). „Wir wissen, dass der russische Machtappar­at auch unser Land in den Fokus nimmt“, sagte Bundesjust­izminister Marco Buschmann. Das Auswärtige Amt bestellte den russischen Botschafte­r ein. Auf Aufklärung aus Moskau kann Berlin nicht setzen: Der Kreml erklärte, man wisse nichts über den Fall.

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