Mullah-Regime kopiert russische Angriffstaktik
Mit massiven Angriffswellen wollen die Iraner die israelische Luftabwehr zunächst testen, dann übersättigen und überwältigen. So wie die Russen in der Ukraine.
Nach der Attacke auf Israel pries der Chef des iranischen Generalstabs, Mohammed Bagheri, die Operation „Wahres Versprechen“überschwänglich. Er sprach von einem „gut geplanten Angriff, dem der Raketenschutzschild des zionistischen Regimes nichts entgegensetzen konnte“. Die Realität sieht jedoch anders aus. Keine der vom Iran abgeschossenen Killerdrohnen und Marschflugkörper erreichte den israelischen Luftraum. Auch nur wenige Mittelstreckenraketen drangen in israelisches Hoheitsgebiet ein. 500 Geschosse feuerten die Iraner israelischen Angaben zufolge ab. Zunächst war von rund 300 die Rede gewesen. Der Schaden blieb gering. Der israelische Militärsprecher Daniel Hagari bezifferte die Abschussrate mit 99 Prozent.
Eine solche Quote würde man sich in der Ukraine wünschen. Im vergangenen Jahr holten die Ukrainer etwa 80 Prozent aller russischen Flugkörper vom Himmel. In den vergangenen Monaten ist diese Zahl deutlich gesunken – auf 40 bis 60 Prozent. Die Ukraine dürfte im Vergleich zum Vorjahr zwar noch immer mindestens über die gleiche Anzahl von Flugabwehrsystemen verfügen. Doch die russischen Streitkräfte haben ihre Taktik nachgeschärft. Sie haben dem Institute for the Study of War (ISW) zufolge die Effektivität ihrer Raketen- und Drohnenangriffe gesteigert, „ohne dass die Häufigkeit solcher Angriffe dramatisch zunimmt“.
Aus Fehlern gelernt
Russland hat aus dem Verhalten der ukrainischen Luftabwehr gelernt und nutzt deren Schwächen gezielt aus. Statt in mehreren Phasen anzugreifen, verdichten die Russen ihre Angriffe mittlerweile meist in eine einzige massive Welle. Mit ihren konzentrierten Bombenangriffen überfordern sie die ukrainische Luftabwehr. „Das System ist überlastet“, sagte kürzlich Mykhailo Podoljak, der Berater des ukrainischen Präsidenten, in einem Interview. Dass sich die US-Militärhilfe verzögert, spitzt das Dilemma zu. Die Schäden an ukrainischen Kraftwerken, an Militäreinrichtungen und in städtischen Wohngebieten häufen sich.
Der Iran hat bei seinem jüngsten Angriff auf Israel die russische Taktik der Übersättigung mit einer einzigen Welle kopiert. Die
Revolutionsgarden haben ihre Drohnen und Raketen so losgeschickt, dass sie in einem bestimmten Zeitfenster Israel erreichen. Die iranische Attacke auf Israel ähnle den russischen Angriffen auf die Ukraine, analysiert das ISW. Der iranische Einsatz deute darauf hin, dass Teheran von den Russen gelernt habe und versuche, gefährlichere und effektivere Angriffswellen gegen Israel zu entwickeln. Es gebe eine „offensichtliche Zusammenarbeit“zwischen Russland und dem Iran bei der „Verbreitung von Terror“, sagte der ukrainische Präsident Selenskij in einer Erklärung am Sonntag, in der er den iranischen Angriff scharf verurteilte.
3000 ballistische Raketen
Der Iran dürfte auch die Erfahrungen der verbündeten Houthis im Jemen genutzt haben, um die Drohnentaktik zu verfeinern. Die Houthis attackieren seit Beginn des GazaKriegs im Oktober den internationalen Schiffsverkehr im Roten Meer und testen damit die Luftabwehr der US-Marine und anderer Länder, deren Kriegsschiffe in der Region unterwegs sind.
Die Revolutionsgarden werden ihren Luftangriff auf den jüdischen Staat auswerten, so das ISW, „um die Luft- und Seeverteidigung der USA und anderer verbündeter Staaten effektiver umgehen und überwältigen zu können“. Russland hat zwei Jahre
gebraucht, um einen Weg zu finden, die ukrainische Flugabwehr zu überlisten. Teheran brauchte ebenfalls noch zusätzliche Erfahrung, wollte es in Zukunft tatsächlich Ziele in Israel zerstören. Aber der Iran hat derzeit anscheinend kein Interesse an weiteren Konfrontationen mit dem erklärten Erzfeind Israel. „Wir haben nicht die Absicht, die Angriffe fortzusetzen“, sagte der Chef des iranischen Generalstabs Bagheri. Außer „das zionistische Regime“würde einen Gegenschlag durchführen. „Wir könnten auch zehnmal stärker zuschlagen“, behauptete er.
Nach einer Schätzung des US-Zentralkommandos aus dem Jahr 2022 verfügt der Iran über mehr als 3000 ballistische Raketen. In den vergangenen zehn Jahren hat das Land die Präzision seiner Waffen erheblich verbessert. Das Land verfügt zwar noch nicht über Atomwaffen, aber mehrere seiner Raketen könnten nukleare Sprengköpfe tragen.
Drei Abfangschichten in Israel
Es bestehen große Zweifel, ob der Iran mit einer zweiten Angriffswelle eine größere Erfolgschance hätte. Der jüdische Staat verfügt über eine Luftabwehr mit insgesamt drei Abfangschichten. Da ist einmal der Iron Dome gegen Kurzstreckenraketen. Die „Eiserne Kuppel“hat bereits Tausende von Geschossen der radikalen Hamas aus dem Gazastreifen und der radikal-schiitischen HisbollahMiliz aus dem Libanon unschädlich gemacht. Mindestens zehn Batterien des Iron Dome sind in Israel im Einsatz. Mit Radar spüren sie feindliche Geschosse auf. In Sekundenschnelle wird deren Kurs berechnet und eine Abwehrrakete abgefeuert, um die Gefahr noch in der Luft auszuschalten. Der Irone Dome soll schon bald durch den „Iron Beam“ersetzt werden. Das auf Lasertechnologie basierende System ist wesentlich präziser und billiger. Eine Abfangrakete des Iron Dome kostet rund 30.000 Dollar.
Die zweite Stufe ist „David’s Sling“, die 2017 in Betrieb genommen wurde. Sie schützt gegen Raketen aus einer Entfernung von 40 bis 300 Kilometern. Entwickelt wurde „Davids Schleuder“insbesondere aufgrund der Bedrohung durch die libanesische Hisbollah, die der Iran mit weitreichenden Raketen aufrüstete.
Die dritte und äußerste Abwehrschicht besteht aus Arrow 2 und Arrow 3. Der „Pfeil 2“gilt als eine Verbesserung des USPatriot-Raketenabwehrsystems, von dem auch mehrere Exemplare in die Ukraine geliefert wurden. Arrow 3 kann ballistische Raketen oberhalb der Atmosphäre abfangen, was Videos vom iranischen Angriff eindrücklich dokumentieren. Der Flugkörper wird senkrecht gestartet und der zweistufige Booster treibt die Rakete auf Mach 9.
Auf Unterstützung angewiesen
Alle drei Verteidigungsschichten Israels haben während des iranischen Großangriffs erneut ihre Funktionalität bewiesen. Ob Israel allerdings ohne die Unterstützung seiner Verbündeten die Attacke so überzeugend hätte abwehren können, ist fraglich. Es hätte dem jüdischen Staat wie der Ukraine ergehen können. Aber die USA haben gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich sowie Jordanien eine Übersättigung und Überwältigung des Luftabwehrsystems verhindert. Amerikanische Schiffe und Militärflugzeuge sollen nach Angaben des Pentagon mehr als 70 Drohnen und drei ballistische Raketen auf dem Weg nach Israel abgefangen haben. Die jordanische Luftwaffe hat Dutzende iranischer Drohnen abgeschossen, als die ihren Luftraum verletzten. Wie viele Frankreich und Großbritannien zerstört haben, ist bisher nicht bekannt. Aber dem israelischen Militär blieb einige Arbeit erspart.