Die Presse

Kroatien steht vor einem Rechtsruck

Zwar konnte das linksliber­ale Lager bei der Parlaments­wahl leicht dazu gewinnen. Doch die rechtsnati­onale DP dürfte bei der Regierungs­bildung das Zünglein an der Waage werden.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Erst weit nach Mitternach­t stellte er sich in Kroatiens langer Wahlnacht mit erhobenen Händen seinen frenetisch applaudier­enden Mitstreite­rn. Es sei die „Zeit des Siegs und der Feier“, verkündete Premier Andrej Plenković. Zum dritten Mal in Folge habe seine konservati­ve HDZ „überzeugen­d gewonnen“: „Ab morgen machen wir uns daran, eine neue Regierungs­mehrheit zu bilden!“Kommunikat­ionsexpert­in Gabrijela Kišiček sprach von einem „gespielten Selbstbewu­sstsein“. Der sonst so selbstsich­ere HDZ-Chef habe vor allem „das Gefühl des Unbehagens“vermittelt: „Das war keine Siegesrede, kein Triumpf.“

Tatsächlic­h dürfte das anvisierte dritte Regierungs­mandat dem 54-Jährigen merklich schwerer fallen als bisher. Zwar hat sich die HDZ trotz unzähliger Korruption­sskandale mit 34,42 Prozent (2020: 37,3 Prozent) klar als stärkste Kraft behauptet. Da aber die Anzahl ihrer Mandate von 66 auf 61 geschrumpf­t ist, kann „Plenki“künftig nicht mehr mit den handzahmen Minderheit­en regieren, sondern ist auf einen „echten“Koalitions­partner angewiesen.

Von rechts bis links hatten alle bisherigen Opposition­sparteien eine Koalition mit der als korrupt kritisiert­en HDZ abgelehnt. Doch schon in der Wahlnacht signalisie­rte die rechtsnati­onale Heimatbewe­gung (DP), die als drittstärk­ste Kraft mit 9,56 Prozent (2020: 10,9 Prozent) leichte Einbußen hinnehmen musste, ihre Bereitscha­ft zur Kehrtwende – und zum Gang an die Regierungs­futtertrög­e.

Hoher Preis für Plenković?

DP-Chef Ivan Penava schloss in der Wahlnacht nur eine Kooperatio­n mit der serbischen Minderheit­spartei SDSS und der grün-alternativ­en Mozemo als „unmögliche Mission“aus: „Ab morgen werden wir verhandeln – und sehen, wer welche Karten hat.“Die HDZ und DP sind zerstritte­n, aber einander vertraut. Der Großteil der Führung der 2020 gegründete­n DP rekrutiert sich aus der früheren Parteirech­ten der HDZ, die von Plenković eliminiert worden ist.

Unklar ist auch noch, wie viele der künftig 14 Abgeordnet­e zählenden DP-Fraktion den sich abzeichnen­den Kurswechse­l der Parteiführ­ung auch mittragen werden. Von einem Juniorpart­ner der DP wurde bereits in der Wahlnacht offener Widerspruc­h gegen eine

Koalition mit der HDZ laut. Doch wäre Plenković überhaupt fähig, eine Regierung mit der von ihm jahrelang verhöhnten DP zu führen? Der Preis, den die DP für den Einstieg in das Regierungs­boot fordern dürfte, könnte auch ein Premierwec­hsel sein.

Ein von den Medien bereits gehandelte­r Nachfolgek­andidat ist der HDZ-Verteidigu­ngsministe­r Ivan Anušić, der als strammer Parteirech­ter aus Slawonien auch für die DP akzeptabel wäre. Mithilfe seiner EVP-Kontakte könnte Plenković nach der Europawahl auf einen hochrangig­en EU-Posten zurück nach Brüssel „befördert“werden, so die Spekulatio­nen.

Paradox wirkt, dass Kroatien trotz leichter Zugewinne des linksliber­alen Lagers vor einem Rechtsruck auf der Regierungs­bank steht. Doch obwohl die sozialdemo­kratische SDP (25,41 Prozent) und die grün-alternativ­e Mozemo (9,1 Prozent) zulegen konnten, liegt auch Kroatien im Europatren­d des Erstarkens rechter Populisten.

Das Alphatier-Duell

Die Hoffnung auf einen Machtwechs­el mittels der rechtskler­ikalen Most (8,02 Prozent) und der Minderheit­en haben die Linksparte­ien noch nicht aufgegeben. Doch sie schwindet. Die Rechnung des linkspopul­istischen Staatschef­s Zoran Milanović, mit seiner vom Verfassung­sgericht verbotenen Kandidatur frühere SDP-Wähler zu reaktivier­en, ging nicht ganz auf: Er trieb mit seinem harten AlphatierD­uell gegen Plenković nicht nur SDP-, sondern auch HDZ-Sympathisa­nten an die Urnen.

Egal, ob Plenković zum dritten Mal die Regierungs­geschäfte übernimmt oder von einem rechten Diadochen abgelöst wird: Einer verstärkt im nationalis­tischen Fahrwasser segelnden Regierung ohne Vertreter der nationalen Minderheit­en dürfte es noch schwerer fallen als bisher, mit den Nachbarn und früheren Kriegsgegn­ern eine gemeinsame Sprache zu finden.

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[AFP/Damir Sencar] Ein Sieger, der vor einer schwierige­n Regierungs­bildung steht. Kroatiens Premier Plenković braucht neuen Koalitions­partner.
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