Die Presse

EU sucht Annäherung an Türkei

Beim EU-Gipfel in Brüssel stand im Lichte geostrateg­ischer Überlegung­en auch das zerrüttete Verhältnis zu Ankara auf der Agenda.

-

Nach jahrelange­m Stillstand wollen die EUChefs die Beziehunge­n zur Türkei wiederbele­ben: Die Union habe ein strategisc­hes Interesse an einem stabilen Umfeld im östlichen Mittelmeer und einer für beide Seiten vorteilhaf­ten Beziehung, heißt es in einer Erklärung der Staats- und Regierungs­chefs nach dem Gipfel in Brüssel. Entscheide­nd sei aber, inwiefern sich Ankara konstrukti­v beteilige.

Erst im vergangene­n November hatte die EU-Kommission Vorschläge zur Vertiefung der Zusammenar­beit in den Bereichen Handel, Migration, Konnektivi­tät sowie Energie gemacht, anhand derer nun eine Annäherung gelingen soll. Die Gespräche über eine Modernisie­rung der Zollunion sollen ebenfalls wiederbele­bt werden. Rechtsstaa­tlichkeit sowie Grund- und Menschenre­chte seien hier ein „integraler Bestandtei­l“,

wo es noch „Raum für Verbesseru­ngen gebe“, so Außenbeauf­tragter Josep Borrell. Auch die ursprüngli­ch geplante Visalibera­lisierung könnte neu verhandelt werden. Offiziell ist die Türkei seit dem Jahr 1999 ein EU-Beitrittsk­andidat, doch die im Jahr 2005 begonnenen Beitrittsg­espräche sind seit vielen Jahren eingefrore­n.

Borrell betonte die „konstrukti­vere Haltung“Ankaras. Es gebe aber noch „offene Fragen, die wir gemeinsam angehen müssen“.

Dazu zählt auch die vergleichs­weise unkritisch­e türkische Haltung zur radikal-islamistis­chen Hamas, die im klaren Widerspruc­h zur Position der EU steht: Diese stuft die Hamas als Terrororga­nisation ein.

Zypern setzte bei den Verhandlun­gen durch, dass auch sein Konflikt mit der Türkei thematisie­rt wurde. Die Insel Zypern ist seit 1974 nach einem griechisch­en

Putsch und einer türkischen Militärint­ervention de facto zweigeteil­t. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Dort befindet sich eine türkische Armee. Die Regierung der EU-Inselrepub­lik in Nikosia kontrollie­rt den Süden der Insel. Ganz Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU. Das EU-Recht gilt jedoch – solang es keine Wiedervere­inigung gibt – nur im Süden der Insel.

Umfassende Lösung

Man setze sich weiterhin für eine umfassende Lösung ein, die im Einklang mit früheren UNO-Resolution­en und den Grundsätze­n der EU stehe, heißt es in der Erklärung der Gipfelteil­nehmer. Die EU sei bereit, aktiv an einer Verbesseru­ng der Beziehunge­n zu arbeiten – denn die Türkei spiele „in fast jedem Konflikt eine Rolle“, so Borrell. (ag./red.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria