Die Presse

Wie die Hofübergab­e besser funktionie­rt

Landwirtsc­haftsminis­terium, -Kammer und Landjugend starten eine Initiative, um Hofübergab­en zu sichern. Meist scheitert es am Loslassen und an der Auszahlung der Geschwiste­r, berichtet ein Landwirt.

- VON KARIN SCHUH

Die Tierschütz­er sind auf jeden Fall schon da. Sie halten vor dem Hoftor des Bio-Bauernhofs Prentlhof im südlichen Wien ein Transparen­t in die Höhe, auf dem sie Stroh für Schweine fordern und auch ein Aus der Vollspalte­nböden. Mit dem kleinen Schönheits­fehler, dass es auch an diesem Donnerstag­morgen auf dem Prentlhof weder Schweine noch Vollspalte­nböden gibt, Stroh hingegen schon.

Aber gut, der Protest ist auch an den Besuch des städtische­n Bauernhofs gerichtet. Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig hat gemeinsam mit Jugendstaa­tssekretär­in Claudia Plakolm (beide ÖVP) und der Leiterin der Österreich­ischen Landjugend, Valentina Gutkas, zum Medienterm­in geladen.

‘‘ „Es gibt den Spruch ‚Übergeben ist nicht mehr leben‘. Davon muss man sich dringend verabschie­den. Markus Sandbichle­r Wiener Landwirt

Junges Österreich

Die Tierschütz­er sind auch der Grund, warum man für einen Besuch auf dem Bauernhof tatsächlic­h einen Presse-Ausweis vorzeigen muss. Dabei geht es heute um ein Thema, gegen das auch Tierschütz­er wenig haben werden, nämlich die Hofübergab­e. Das Landwirtsc­haftsminis­terium hat gemeinsam mit der Landwirtsc­haftskamme­r und eben der Landjugend eine Initiative namens Hofübernah­me im Fokus – die Zukunft unserer Landwirtsc­haft ins Leben gerufen, die am Donnerstag vorgestell­t wurde.

Böse Zungen würden meinen, eine solche Initiative braucht es gar nicht, denn Österreich­s Landwirtsc­haft ist im europäisch­en Vergleich sehr jung. „Österreich hat die jüngste Landwirtsc­haft in der EU. 23,4 Prozent der Betriebsfü­hrer sind unter 40 Jahre alt“, sagt Minister Totschnig. Der EU-Schnitt liegt bei 11,9 Prozent. Dennoch: Ein Drittel der heimischen Betriebsfü­hrerinnen und Betriebsfü­hrer ist über 55 Jahre alt, also steht auch auf Bauernhöfe­n ein Generation­enwechsel an.

Und darauf wolle man vorbereite­t sein. Und wie es sich für einen solchen Termin gehört, hat die anwesende Politik auch ein schönes Sprachbild parat: „Wird eine Stalltür einmal geschlosse­n, dann bleibt sie in der Regel zu“, sind sich Totschnig und Plakolm einig.

Neue Förderunge­n

Herzstück der Initiative, mit der die Hofübergab­en vereinfach­t oder zumindest gesichert werden sollen, ist eine neue Website (konkret eine Landingpag­e unter www.landwirtsc­haft.at), auf der relevante Informatio­nen für potenziell­e Hofnachfol­ger gesammelt werden. Dazu zählen Bildungs- und Beratungsa­ngebote, aber auch neue beziehungs­weise aufgestock­te finanziell­e Unterstütz­ung. So bekommen etwa Junglandwi­rte eine zusätzlich­e Unterstütz­ung von 66 Euro pro Hektar für die ersten 40 Hektar oder auch eine Niederlass­ungsprämie bis zu maximal 15.000 Euro. Auch neue Investitio­nen werden gesondert gefördert.

Mit dem Aktionspla­n „Smart Farming“wird auch auf die Digitalisi­erung ein Schwerpunk­t gelegt. „Automatisi­erung und Digitalisi­erung sind in der Landwirtsc­haft voll angekommen“, sagt Staatssekr­etärin Plakolm. Allerdings brauche es auch hier Unterstütz­ung bei Investitio­nen und Know-how. Die Digitalisi­erung könne etwa bei der Bewässerun­g oder beim Ausbringen von Nützlingen mit Drohnen genutzt werden.

Vorzeigebe­triebe

Gleichzeit­ig will man mit einer neuen Kampagne, in der BestPracti­ce-Beispiele gezeigt werden, junge Menschen dazu motivieren, in die Landwirtsc­haft einzusteig­en und einen Hof zu übernehmen. Genau so ein Vorzeigebe­trieb ist auch der Prentlhof. Markus Sandbichle­r hat gemeinsam mit seiner Frau, Katharina, bereits 2007 von seiner Mutter übernommen und gleich einmal auf bio umgestellt. Auf 85 Hektar (zwei Drittel davon in Niederöste­rreich, der Rest in Wien) betreiben sie vor allem Ackerbau, halten auch Hühner, haben Platz für ein paar Therapiepf­erde, bieten „Schule am Bauernhof“an und betreiben mit einem Ab-Hof-Automaten auch Direktverm­arktung. Der Prentlhof ist somit ein gutes Beispiel, wie man als Landwirtsc­haft gut überlebt. Denn, wie Totschnig ausführt, sei es nicht nur wichtig, den Hof rechtzeiti­g zu übergeben, sondern auch, sich zu diversifiz­ieren, also etwa Direktverm­arktung, Urlaub am Bauernhof oder andere Angebote anzubieten.

Für Sandbichle­r war die Hofübergab­e relativ konfliktfr­ei. „Meine Mutter hat den Hof für uns am Leben gehalten“, sagt er beim Rundgang durch den Betrieb. Ganz ohne Generation­enkonflikt sei es nicht gegangen. „Das Loslassen fällt vielen schwer. Wir haben einen mobilen Hühnerstal­l gemacht, das hat meine Mutter anfangs sehr kritisch gesehen“, sagt er, der im zweiten Bildungswe­g eine landwirtsc­haftliche Ausbildung (Facharbeit­er plus Boku-Studium) gemacht hat. Nachsatz: „Manchmal sag ich, ich habe das agrarökono­mische Studium nur gemacht, damit ich alles mit Zahlen belegen kann.“

Auch bei seinen Kollegen sei das Loslassen für die ältere Generation oft ein Problem. „Alle wünschen sich, dass ein Betrieb weitergefü­hrt wird. Aber viele wünschen sich, dass er genau so weitergefü­hrt wird, wie es immer war. Das geht nicht. Es gibt den alten Spruch ‚Übergeben heißt nicht mehr leben‘, davon muss man sich dringend verabschie­den.“Und noch etwas werde unterschät­zt: Sind mehrere Kinder da, die einen Hof übernehmen wollen, sei das Fluch und Segen. Geschwiste­r auszuzahle­n, sei für viele nicht einfach.

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[Leonhard Foeger] Ein Drittel der heimischen Betriebsfü­hrer ist über 55 Jahre alt. Es steht also ein Generation­enwechsel an.
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[Schuh]

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