Die Presse

Die EU bestimmt über Österreich­s Bankenrese­rve

Geraten Banken in Schieflage, will die EU nun ganz anders vorgehen als bisher. OeNB-Vize-Gouverneur Haber befürchtet einen „gravierend­en Systemwech­sel“.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Die letzte Sitzung des Wirtschaft­s- und Währungsau­sschusses des EU-Parlaments hielt am Donnerstag ein ganz besonders umstritten­es Thema bereit: die europäisch­e Einlagensi­cherung, auch European Deposit Insurance Scheme (EDIS) genannt. Geht eine Bank pleite, springt die Einlagensi­cherung ein, um den Sparern ihr Geld auszuzahle­n. In Österreich sind bis zu 100.000 Euro im Fall eines Bank-Bankrotts sicher – in Sonderfäll­en sogar bis zu 500.000 Euro.

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die Bankenabwi­cklung gegenüber einer Insolvenz gestärkt werden soll. Vor allem für kleine und mittlere Banken würde das dazu führen, dass bei Turbulenze­n bei einem Finanzinst­itut vorrangig das Abwicklung­srecht zum Zug kommt. Bisher mussten in Österreich auch Aktionäre und Gläubiger einen Betrag leisten. Stattdesse­n plant man nun, die Einlagenmi­ttel dafür zu verwenden. In Zukunft soll zudem die Hälfte der nationalen Einlagen in einen europäisch­en Topf überwiesen werden. Somit greift nicht in erster Linie Österreich auf diese Mittel zu, sondern eine europäisch­e Abwicklung­sbehörde.

Bisher stellten sich Vertreter aus Deutschlan­d und Österreich vehement gegen diese Pläne. In anderen Ländern wird das Finanzsyst­em meist durch wenige große Bank-Platzhirsc­he dominiert. Im deutschspr­achigen Raum sind die Strukturen bspw. durch Sparkassen kleinteili­ger.

Die Weichen sind gestellt

Ausgerechn­et ÖVP-Urgestein und EU-Abgeordnet­er Othmar Karas ist in dem Ausschuss Berichters­tatter. Der Gesetzesen­twurf wurde zwar teilweise gegenüber früheren Ambitionen entschärft. Aber gerade deshalb gelang Karas wohl bei dem Thema, das für Österreich­s Regionalba­nken ein rotes Tuch ist, ein Kompromiss. Der Ausschuss stimmte dafür.

Die Zeit bis zur Europawahl reicht zwar nicht, um das Gesetzesve­rfahren anschließe­nd weiter voranzutre­iben. Aber auf der Basis der nun gemeinsam festgelegt­en Position könnte das EU-Parlament die Gesetzgebu­ngsarbeit im Herbst in fortgeschr­ittenem Stadium wieder aufnehmen. Das Vorgehen wurde schon im Vorfeld von deutschen Bankenverb­änden als „Eilverfahr­en“bezeichnet, dass die nationalen Einlagensi­cherungssy­steme vergemeins­chafte und die nationalen Sicherungs­systeme zwangsweis­e einbezieht.

Auch aus Österreich hagelt es Schelte. „Wir warnen ausdrückli­ch vor solchen weitreiche­nden Experiment­en wenige Wochen vor der EU-Wahl“, sagt Generalsek­retär des Österreich­ischen Raiffeisen­verbandes (ÖRV) Johannes Rehulka schon vor der Abstimmung. Der Raiffeisen-Sektor war vor Jahren aus dem nationalen Sicherungs­system ausgestieg­en und betreibt sein eigenes Einlagensi­cherungssy­stem,

das den österreich­ischen Bestimmung­en unterstell­t ist. Ziel war es, nicht mehr für andere Banken haften zu müssen. „Das Vertrauen der Sparerinne­n und Sparer in funktionie­rende Einlagensi­cherungssy­steme sollte nicht ohne Not aufs Spiel gesetzt werden“, so Rehulka weiter.

Daneben sieht WKÖ-Banksparte­nobmann und Erste-Group-Chef Willi Cernko eine Zweckentfr­emdung der Bankgelder, weil die Einlagen anstelle der Gläubigerb­eteiligung verwendet werden können. Bisher müssen Aktionäre und Gläubiger für acht Prozent der Bilanzsumm­e haften, „bevor auf

Mittel des Abwicklung­sfonds zugegriffe­n werden darf“, schreibt die WKÖ. Die Einlagensi­cherungsfo­nds könnten von Abwicklung­sbehörden „binnen kürzester Zeit geleert werden, ohne dass eine Auszahlung an Sparer“erfolgt, warnt der ÖRV.

„Es geht hier um einen möglicherw­eise gravierend­en Systemwech­sel“, sagte der VizeGouver­neur der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB), Gottfried Haber. Die OeNB teilt die Skepsis der Banken und befürchtet „deutlich höhere Dotierunge­n“für den Sicherungs­fonds, wenn dieser für europäisch­e Abwicklung­sfälle zur Verfügung stehen muss.

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[Clemens Fabry] Nationalba­nk-Vize-Gouverneur Gottfried Haber kritisiert die Pläne der EU.

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