Die EU bestimmt über Österreichs Bankenreserve
Geraten Banken in Schieflage, will die EU nun ganz anders vorgehen als bisher. OeNB-Vize-Gouverneur Haber befürchtet einen „gravierenden Systemwechsel“.
Die letzte Sitzung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des EU-Parlaments hielt am Donnerstag ein ganz besonders umstrittenes Thema bereit: die europäische Einlagensicherung, auch European Deposit Insurance Scheme (EDIS) genannt. Geht eine Bank pleite, springt die Einlagensicherung ein, um den Sparern ihr Geld auszuzahlen. In Österreich sind bis zu 100.000 Euro im Fall eines Bank-Bankrotts sicher – in Sonderfällen sogar bis zu 500.000 Euro.
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die Bankenabwicklung gegenüber einer Insolvenz gestärkt werden soll. Vor allem für kleine und mittlere Banken würde das dazu führen, dass bei Turbulenzen bei einem Finanzinstitut vorrangig das Abwicklungsrecht zum Zug kommt. Bisher mussten in Österreich auch Aktionäre und Gläubiger einen Betrag leisten. Stattdessen plant man nun, die Einlagenmittel dafür zu verwenden. In Zukunft soll zudem die Hälfte der nationalen Einlagen in einen europäischen Topf überwiesen werden. Somit greift nicht in erster Linie Österreich auf diese Mittel zu, sondern eine europäische Abwicklungsbehörde.
Bisher stellten sich Vertreter aus Deutschland und Österreich vehement gegen diese Pläne. In anderen Ländern wird das Finanzsystem meist durch wenige große Bank-Platzhirsche dominiert. Im deutschsprachigen Raum sind die Strukturen bspw. durch Sparkassen kleinteiliger.
Die Weichen sind gestellt
Ausgerechnet ÖVP-Urgestein und EU-Abgeordneter Othmar Karas ist in dem Ausschuss Berichterstatter. Der Gesetzesentwurf wurde zwar teilweise gegenüber früheren Ambitionen entschärft. Aber gerade deshalb gelang Karas wohl bei dem Thema, das für Österreichs Regionalbanken ein rotes Tuch ist, ein Kompromiss. Der Ausschuss stimmte dafür.
Die Zeit bis zur Europawahl reicht zwar nicht, um das Gesetzesverfahren anschließend weiter voranzutreiben. Aber auf der Basis der nun gemeinsam festgelegten Position könnte das EU-Parlament die Gesetzgebungsarbeit im Herbst in fortgeschrittenem Stadium wieder aufnehmen. Das Vorgehen wurde schon im Vorfeld von deutschen Bankenverbänden als „Eilverfahren“bezeichnet, dass die nationalen Einlagensicherungssysteme vergemeinschafte und die nationalen Sicherungssysteme zwangsweise einbezieht.
Auch aus Österreich hagelt es Schelte. „Wir warnen ausdrücklich vor solchen weitreichenden Experimenten wenige Wochen vor der EU-Wahl“, sagt Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes (ÖRV) Johannes Rehulka schon vor der Abstimmung. Der Raiffeisen-Sektor war vor Jahren aus dem nationalen Sicherungssystem ausgestiegen und betreibt sein eigenes Einlagensicherungssystem,
das den österreichischen Bestimmungen unterstellt ist. Ziel war es, nicht mehr für andere Banken haften zu müssen. „Das Vertrauen der Sparerinnen und Sparer in funktionierende Einlagensicherungssysteme sollte nicht ohne Not aufs Spiel gesetzt werden“, so Rehulka weiter.
Daneben sieht WKÖ-Bankspartenobmann und Erste-Group-Chef Willi Cernko eine Zweckentfremdung der Bankgelder, weil die Einlagen anstelle der Gläubigerbeteiligung verwendet werden können. Bisher müssen Aktionäre und Gläubiger für acht Prozent der Bilanzsumme haften, „bevor auf
Mittel des Abwicklungsfonds zugegriffen werden darf“, schreibt die WKÖ. Die Einlagensicherungsfonds könnten von Abwicklungsbehörden „binnen kürzester Zeit geleert werden, ohne dass eine Auszahlung an Sparer“erfolgt, warnt der ÖRV.
„Es geht hier um einen möglicherweise gravierenden Systemwechsel“, sagte der VizeGouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Gottfried Haber. Die OeNB teilt die Skepsis der Banken und befürchtet „deutlich höhere Dotierungen“für den Sicherungsfonds, wenn dieser für europäische Abwicklungsfälle zur Verfügung stehen muss.