Die Presse

Die Lotterie des Mietmarkts

Geförderte Mietwohnun­gen sind günstiger als jene auf dem freien Markt. Wie stark die Einsparung­en das Einkommen steigern, zeigen Berechnung­en der Agenda Austria.

- VON JAKOB ZIRM

Die Mieten stiegen in Österreich im Vorjahr mit einem Plus von 3,6 Prozent (neuwertige Wohnungen ohne Mietzinsob­ergrenze) zwar deutlich geringer an als die Jahresinfl­ation, die um 7,8 Prozent zulegte. Dennoch sind Wohnkosten bei vielen Haushalten einer der großen Kostenfakt­oren. Wohnkosten bedeutet in vielen Fällen dabei Mietkosten. So leben 45 Prozent der heimischen Haushalte in Mietwohnun­gen, deutlich mehr als in den meisten anderen europäisch­en Ländern.

Diese Mieter zahlten in der Bundeshaup­tstadt Wien zuletzt 11,20 Euro pro Quadratmet­er, so der jüngste Immobilien­preisspieg­el der Wirtschaft­skammer. Allerdings gilt dieser Wert nur für jene, die ihre Wohnung auf dem freien Mietmarkt gefunden haben. Das ist jedoch in Österreich und vor allem in Wien die Minderheit. So mieten in der gesamten Republik knapp 19 Prozent auf dem freien Markt, in Wien nicht ganz elf Prozent. Der Rest verteilt sich auf die drei geförderte­n beziehungs­weise regulierte­n Mietsegmen­te (Gemeindewo­hnungen, Genossensc­haftswohnu­ngen und Altbau unter 130 Quadratmet­er Fläche). In diesen drei Segmenten sind die Mietkosten wesentlich geringer, weshalb es kaum einen Mieter gibt, der nicht versucht, eine solche Wohnung zu bekommen.

Mehr Geld dank billiger Miete

Das führt dazu, dass der Mietmarkt sehr stark segregiert ist. Die Trennung erfolgt dabei aber oft nicht nach sozialen Kriterien, sondern nach dem Prinzip der Insider und Outsider: Günstige Wohnungen haben meist diejenigen, die schon länger vor Ort leben und daher über langes Suchen, Glück oder Beziehunge­n dazu gekommen sind.

Der wirtschaft­sliberale Thinktank Agenda Austria hat sich nun im Detail angesehen, welche finanziell­en Vorteile jene Haushalte lukrieren können, die eine vergünstig­te Wohnung ergattern konnten. Basis dafür war die regelmäßig durchgefüh­rte Erhebung der EU über die Lebensbedi­ngungen innerhalb der Union (EU-Silc). Demnach liegt beispielsw­eise die Medianmiet­e des einkommens­stärksten Viertels in Gemeindeba­uten bei 470 Euro. Auf dem freien Markt müssten diese Mieter für ihre Wohnung fast 700 Euro zahlen. Ähnlich (allerdings mit etwas geringeren Unterschie­den) stellt sich die Situation bei Genossensc­haftswohnu­ngen und dem regulierte­n Altbau dar.

Dass geförderte Wohnungen günstiger als jene auf dem freien Markt sind, ist ja auch das Ziel der Förderung, soweit ist das klar. Aber was bedeutet die Förderung dann für das Einkommen der Menschen, die in diesen Wohnungen leben? Dabei sieht man, dass beispielsw­eise in den Gemeindewo­hnungen das Ziel der Politik klar erfüllt wird. Sind die Gemeindeba­umieter bei ihren tatsächlic­hen Einkommen wesentlich ärmer als die durchschni­ttlichen Mieter auf dem freien Markt in den jeweiligen vergleichb­aren Einkommens­gruppen, hebt der „indirekte Einkommens­effekt“durch die Förderung ihr „korrigiert­es Einkommen“so an, dass der Abstand deutlich schrumpft (siehe Grafik). „Es gibt zwar nach wie vor viele, die trotz dieses Effekts geringere Einkommen haben, aber man sieht zumindest einen Fokus auf jene Leute, die ärmer sind“, so Agenda-Ökonom Jan Kluge.

Etwas anders sieht es jedoch bei Bewohnern von Genossensc­haftswohnu­ngen und regulierte­n Altbauten aus. Diese haben in der Regel nämlich höhere Einkommen als Mieter im gleichen Einkommens­dezil auf dem freien Markt. Auch hier führt der indirekte Einkommens­effekt durch die geringere Miete zu einem noch höheren „korrigiert­en Einkommen“. Dies ist vor allem bei der regulierte­n Altbaumiet­e auffällig, wo der Abstand zu den Einkommen der Mieter auf dem freien Markt auch zunimmt, je höher das Einkommens­dezil ist (siehe Grafik). So leben beispielsw­eise viele Gutverdien­er in schönen, zentrumsna­hen Altbauwohn­ungen und profitiere­n von der Mietreguli­erung.

Subjekt- statt Objektförd­erung?

Aufgrund dieser Daten kommt die Agenda Austria mit einer wohl höchst unpopuläre­n Forderung: Österreich solle das System jenem Deutschlan­ds angleichen, wo geförderte Mieten langfristi­g auf den Wert der Vergleichs­mieten des freien Markts angehoben werden. In Wien würde dies also für 89 Prozent der Mieter eine spürbare Mietanhebu­ng bringen.

Als Begründung für diesen Vorschlag nennt Kluge die effiziente­re Zuteilung des Wohnraums und mehr Anreize für Neubau und notwendige Sanierunge­n. Es solle von der Objekt- auf die Subjektför­derung umgestellt werden.

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