Die Lotterie des Mietmarkts
Geförderte Mietwohnungen sind günstiger als jene auf dem freien Markt. Wie stark die Einsparungen das Einkommen steigern, zeigen Berechnungen der Agenda Austria.
Die Mieten stiegen in Österreich im Vorjahr mit einem Plus von 3,6 Prozent (neuwertige Wohnungen ohne Mietzinsobergrenze) zwar deutlich geringer an als die Jahresinflation, die um 7,8 Prozent zulegte. Dennoch sind Wohnkosten bei vielen Haushalten einer der großen Kostenfaktoren. Wohnkosten bedeutet in vielen Fällen dabei Mietkosten. So leben 45 Prozent der heimischen Haushalte in Mietwohnungen, deutlich mehr als in den meisten anderen europäischen Ländern.
Diese Mieter zahlten in der Bundeshauptstadt Wien zuletzt 11,20 Euro pro Quadratmeter, so der jüngste Immobilienpreisspiegel der Wirtschaftskammer. Allerdings gilt dieser Wert nur für jene, die ihre Wohnung auf dem freien Mietmarkt gefunden haben. Das ist jedoch in Österreich und vor allem in Wien die Minderheit. So mieten in der gesamten Republik knapp 19 Prozent auf dem freien Markt, in Wien nicht ganz elf Prozent. Der Rest verteilt sich auf die drei geförderten beziehungsweise regulierten Mietsegmente (Gemeindewohnungen, Genossenschaftswohnungen und Altbau unter 130 Quadratmeter Fläche). In diesen drei Segmenten sind die Mietkosten wesentlich geringer, weshalb es kaum einen Mieter gibt, der nicht versucht, eine solche Wohnung zu bekommen.
Mehr Geld dank billiger Miete
Das führt dazu, dass der Mietmarkt sehr stark segregiert ist. Die Trennung erfolgt dabei aber oft nicht nach sozialen Kriterien, sondern nach dem Prinzip der Insider und Outsider: Günstige Wohnungen haben meist diejenigen, die schon länger vor Ort leben und daher über langes Suchen, Glück oder Beziehungen dazu gekommen sind.
Der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria hat sich nun im Detail angesehen, welche finanziellen Vorteile jene Haushalte lukrieren können, die eine vergünstigte Wohnung ergattern konnten. Basis dafür war die regelmäßig durchgeführte Erhebung der EU über die Lebensbedingungen innerhalb der Union (EU-Silc). Demnach liegt beispielsweise die Medianmiete des einkommensstärksten Viertels in Gemeindebauten bei 470 Euro. Auf dem freien Markt müssten diese Mieter für ihre Wohnung fast 700 Euro zahlen. Ähnlich (allerdings mit etwas geringeren Unterschieden) stellt sich die Situation bei Genossenschaftswohnungen und dem regulierten Altbau dar.
Dass geförderte Wohnungen günstiger als jene auf dem freien Markt sind, ist ja auch das Ziel der Förderung, soweit ist das klar. Aber was bedeutet die Förderung dann für das Einkommen der Menschen, die in diesen Wohnungen leben? Dabei sieht man, dass beispielsweise in den Gemeindewohnungen das Ziel der Politik klar erfüllt wird. Sind die Gemeindebaumieter bei ihren tatsächlichen Einkommen wesentlich ärmer als die durchschnittlichen Mieter auf dem freien Markt in den jeweiligen vergleichbaren Einkommensgruppen, hebt der „indirekte Einkommenseffekt“durch die Förderung ihr „korrigiertes Einkommen“so an, dass der Abstand deutlich schrumpft (siehe Grafik). „Es gibt zwar nach wie vor viele, die trotz dieses Effekts geringere Einkommen haben, aber man sieht zumindest einen Fokus auf jene Leute, die ärmer sind“, so Agenda-Ökonom Jan Kluge.
Etwas anders sieht es jedoch bei Bewohnern von Genossenschaftswohnungen und regulierten Altbauten aus. Diese haben in der Regel nämlich höhere Einkommen als Mieter im gleichen Einkommensdezil auf dem freien Markt. Auch hier führt der indirekte Einkommenseffekt durch die geringere Miete zu einem noch höheren „korrigierten Einkommen“. Dies ist vor allem bei der regulierten Altbaumiete auffällig, wo der Abstand zu den Einkommen der Mieter auf dem freien Markt auch zunimmt, je höher das Einkommensdezil ist (siehe Grafik). So leben beispielsweise viele Gutverdiener in schönen, zentrumsnahen Altbauwohnungen und profitieren von der Mietregulierung.
Subjekt- statt Objektförderung?
Aufgrund dieser Daten kommt die Agenda Austria mit einer wohl höchst unpopulären Forderung: Österreich solle das System jenem Deutschlands angleichen, wo geförderte Mieten langfristig auf den Wert der Vergleichsmieten des freien Markts angehoben werden. In Wien würde dies also für 89 Prozent der Mieter eine spürbare Mietanhebung bringen.
Als Begründung für diesen Vorschlag nennt Kluge die effizientere Zuteilung des Wohnraums und mehr Anreize für Neubau und notwendige Sanierungen. Es solle von der Objekt- auf die Subjektförderung umgestellt werden.