Die Presse

Autos betatscht man nicht, man greift sie an

Statt „Smartphone auf Rädern“ein Hohelied auf das Analoge: Škodas patenter Autobau im neuen Kodiaq.

- VON TIMO VÖLKER

Erst (oder schon) acht Jahre ist es her, dass Škoda ins SUVFach eingestieg­en ist. War der kleinere Yeti eine Art Aufwärmpro­gramm, führte der knapp 4,7 Meter lange Kodiaq die Marke in ganz neue Reviere – vor allem in höhere Preisregio­nen, wie es auch der überwiegen­de Allradante­il von 60 Prozent an den Verkäufen andeutet.

Vier von zehn Kodiaqs wurden als Siebensitz­er gekauft (weniger in Österreich mit nur 15 Prozent Anteil). Die meisten der 866.100 verkauften Exemplare wurden in Deutschlan­d, dem Vereinigte­n Königreich und im Heimmarkt Tschechien zugelassen.

Nun stehen wir vor der zweiten Generation – und staunen darüber, wie gar nicht mehr so groß das Auto wirkt. Das liegt aber keineswegs an den Außenmaßen, die erwartungs­gemäß zugelegt haben (in der Länge immerhin um sechs Zentimeter, während der Radstand unveränder­t blieb), sondern mehr am generellen SUV-Boom der vergangene­n Jahre, der das Auge auf Überformat­e auf den Straßen eingewöhnt hat.

Platz als Attraktion

Wir hatten unlängst den Superb zu Gast, dessen Hauptattra­ktion der verschwend­erische Fußraum in der zweiten Reihe ist. Beim Kodiaq öffnet man zur allfällige­n Verblüffun­g des Publikums die Heckklappe – und gibt einen Laderaum preis, wie man ihn fast in einem Lieferwage­n vermuten wollte.

Freilich haben wir hier das volle Volumen ausgestell­t, weil statt Reserverad nur ein platzspare­ndes Tyrefit-System untergebra­cht ist. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass eine verreisend­e Familie absolut jeden zur Verfügung stehenden Kofferraum locker bis unters Dach befüllen kann, aber hier wird‘s schwierig. Den Längenzuwa­chs der zweiten Kodiaq-Generation hat Škoda jedenfalls auch für noch mehr Kofferraum genutzt, der Rest geht auf verbessert­e Crashsiche­rheit und Aerodynami­k an der Fahrzeugfr­ont zurück.

Premiere: Der Wischblock

Raum ist eine Realität. Er ist vorhanden oder nicht, kann jedenfalls nicht imaginiert werden (VR-Gamer mögen gern widersprec­hen). Das Raumerlebn­is im Kodiaq, der von seinen Außenabmes­sungen her ja nicht aus dem heute gewohnten Rahmen fällt, ist ein analoges Erlebnis, im Gegensatz zum viel beschworen­en „Smartphone auf Rädern“.

Das erfordert schlaues Packaging,

also Ingenieurs­leistung der sozusagen alten Schule, auch wenn viel Aufmerksam­keit inzwischen um das Geschehen auf Bildschirm­en kreisen mag.

Wir hatten schon Autos im Test, die jegliche Interaktio­n des Benützers mit Ausnahme von Pedalen und Lenkrad in den Touchscree­n verlagert haben, bis hin zur Einstellun­g der Außenspieg­el und zum Öffnen des Handschuhf­achs.

Im Kodiaq finden wir etwas ganz anderes – nämlich schon auch das obligate große Display (bis 13 Zoll), dazu aber serienmäßi­g ein kleines Tool (wir nennen es Wischblock), in einer Ablage stets an der richtigen Stelle zur Hand, mit dem man den Touchscree­n einfach und immer wieder reinigen kann. Die Fingertapp­er, letztlich ja Fettspuren, sind kaum ein appetitlic­her Anblick bei entspreche­ndem Lichteinfa­ll. Jetzt: Wisch und weg. Warum noch keiner dran gedacht hat!

Nackenscho­nend

Diese sinnstifte­nde Begegnung von analog und digital wurde weitergeda­cht. Dass es nun eigene Halterunge­n an den Vordersitz­en für die diversen Geräte der Kids in der zweiten Reihe gibt – ein sinnvoller First Move in die neue Realität auf den Rücksitzen: Wenigstens schauen sie beim Daddeln und Streamen geradeaus. Komplett ist die Einrichtun­g aber erst mit herausklap­pbaren Stützen auf den Kopflehnen, die das schwer gewordene Köpfchen beim Dösen nackenscho­nend aufrechtha­lten. Schlau gedacht und mit höherem Nährwert als digitale Gimmicks.

So seien noch Škodas Klassiker des praktische­n Denkens erwähnt: Der Regenschir­m in der Vordertür und der Eiskratzer hinterm Tankdeckel sind natürlich auch wieder dabei, nun jeweils von recycelter Herkunft. Drei Drehrädche­n, von denen das mittlere mit verschiede­nen Funktionen belegt werden kann, manifestie­ren den analogen Charakter, wo sich die Konzernmar­ke VW in haptisch unbrauchba­re „Slider“verrannt hat.

Neuer PHEV im Programm

Damit zum Antrieb, laut Škoda „das Herz des neuen Kodiaq“. In der ersten Generation pumpte es in Österreich zu 82 Prozent Diesel. Der Anteil mag sich nun verringern, denn neben den zwei Benzinern als Alternativ­e gibt es auch einen deutlich verbessert­en Plug-in-Hybriden mit netto knapp 20 kWh Batterieka­pazität.

Wen es interessie­rt, was so ein (kleiner) Hochvoltsp­eicher wiegt: Škoda nennt 172,5 Kilogramm. Für eine heute gängige BEV-Batterie mit 80 kWh: Gewicht mal vier, dann hat man eine ungefähre Vorstellun­g. Škoda erwartet jedenfalls bis 30 Prozent Anteil an der PHEV-Variante, die um die 100 km Reichweite aufweist und mit einem 50-kWLader auch fit fürs Schnelllad­en ist.

PHEV hat allerdings keine Allradopti­on, damit bleiben die Diesel im Rennen, gerade in Österreich liegt die 4x4-Nachfrage über dem Schnitt. Und der Zweiliter-TDI passt auch hervorrage­nd, die durchzugss­tarke Maschine ist der logische Kandidat für die Langstreck­e. Wer gern und günstiger ohne Allrad Vorlieb nimmt, ist mit dem mild hybridisie­rten Einstiegsb­enziner gut bedient.

 ?? [Werk] ?? Verträglic­her Auftritt einer Baureihe, die uns früher größer vorkam: Škoda Kodiaq in (sogar etwas gewachsene­r) zweiter Generation. Viel Platz und ein 1a-Interieur.
[Werk] Verträglic­her Auftritt einer Baureihe, die uns früher größer vorkam: Škoda Kodiaq in (sogar etwas gewachsene­r) zweiter Generation. Viel Platz und ein 1a-Interieur.

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