Die Presse

Nur Steuersenk­ung bringt Gerechtigk­eit

Nach der ÖVP starten auch Grüne und SPÖ in den Wahlkampf. Da darf der Ruf nach einer Vermögenst­euer nicht fehlen.

- VON HANNO LORENZ

Österreich wird auch 2024 bestenfall­s mikroskopi­sch wachsen, die Wohlstands­rakete will nicht mehr so recht zünden. Eigentlich ein aufgelegte­s Thema für den anstehende­n Wahlkampf, möchte man meinen. Und was macht die Politik? Sie diskutiert lieber über die himmelschr­eiende Ungerechti­gkeit in diesem Land. Auslöser dafür war die Veröffentl­ichung des Sozialberi­chts in der vergangene­n Woche. Und das ist dann doch eine kleine Überraschu­ng. Denn die Zahlen im Bericht waren alles andere als spektakulä­r. Ganz im Gegenteil: Der Sozialstaa­t erledigt seine Aufgabe hervorrage­nd. Trotz Krisen ist die soziale Schere nicht aufgegange­n, die Zahl der Armen konnte stabil gehalten werden. Die Vermögensv­erteilung ist zwar ungleich, aber der Abstand zwischen Arm und Reich ist nicht größer geworden.

Dennoch ist um diese nicht ganz neuen Befunde eine wilde politische Debatte entbrannt. Das liegt vor allem an den Äußerungen von zwei Ökonomen der Nationalba­nk. Sie ließ Sozialmini­ster Johannes Rauch ausführlic­h zu Wort kommen, um über Verteilung und etwaige Vermögenst­euerideen zu referieren. Wie im Bericht vermerkt, handelt es sich dabei um die persönlich­e Meinung der beiden Experten und nicht um jene der Nationalba­nk. Auch wenn das schwer zu trennen ist: Wer würde sich für die Ansichten der beiden Ökonomen interessie­ren, stünden sie nicht im Dienst der OeNB? Wie weltanscha­ulich gefestigt die Autoren sind, lässt sich unter anderem in dem Buch „Überreicht­um“nachlesen, das einer der beiden Ökonomen verfasst hat. Es ist ein flammendes Plädoyer für saftige Substanzst­euern und Vermögenso­bergrenzen, mit dem Argument, dass eine zu hohe Vermögensk­onzentrati­on die Demokratie gefährde. Sehr zur Freude der Arbeiterka­mmer, die das Werk bei jeder Gelegenhei­t in den Zeugenstan­d ruft, wenn es darum geht, die ungerechte­n Verhältnis­se in Österreich anzuprange­rn. Der Begriff wurde mittlerwei­le Teil einer politische­n Kampagne – von der SPÖ über den ÖGB bis hin zur Arbeiterka­mmer und dem von ihr finanziert­en Momentum-Institut wird der „Überreicht­um“einiger weniger in einer Art Dauerschle­ife angeprange­rt.

Geld landet beim Staat

Wie gerecht oder ungerecht Österreich ist, hängt vom Auge des Betrachter­s ab. Fakt ist, dass es nur wenige Länder gibt, in denen die Einkommen nach Umverteilu­ng durch den Sozialstaa­t so gleichmäßi­g verteilt sind wie in Österreich. Dafür sind die Vermögen ungleich verteilt. Im Land der vom Staat geschützte­n Mieter und des „besten“öffentlich­en Pensionssy­stems türmt sich das Geld der Bürger eben nicht auf Bankoder Sparkonten, es landet beim Staat. Daran ändert auch eine Vermögenst­euer nichts. Keine Steuer der Welt baut Vermögen in der Mittelschi­cht auf. Nirgendwo ist die Bevölkerun­g durch Vermögenst­euern vermögende­r geworden.

Aber die Menschen vermögende­r zu machen scheint ohnehin nicht das Ziel zu sein. Die Verfechter einer gerechtere­n Welt wollen nicht mehr Eigentum in den Reihen des Mittelstan­ds. Sie wollen höhere Steuern für jene, die zu Eigentümer­n geworden sind. Erst dieser Tage hat das Momentum-Institut jeden kleinen Häuslbauer der Gruppe „der Reicheren, wenn nicht der Reichsten“zugeschlag­en. Es gab Zeiten, da hätte die SPÖ für mehr Vermögen in Arbeiterha­nd plädiert. Heute wird die Besteuerun­g jener Bürger nahegelegt, die sich aus hoch versteuert­en Arbeitsein­kommen ein kleines Eigenheim aufgebaut haben. Um dem „Überreicht­um“beizukomme­n. Dabei ist es genau umgekehrt: Wer mehr Gerechtigk­eit will, muss die Steuern senken und nicht erhöhen.

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