Eine gescheiterte Idee, die leider unsterblich ist
Europas Staaten verschenken gerade Geld wie Heu an Unternehmen, damit die nicht produzieren, was die Kunden brauchen, sondern was die Politik will.
Es ist noch gar nicht so lang her, da mussten sich Unternehmen bemühen, attraktive Produkte zu einem günstigen Preis anzubeten, wenn sie Gewinne machen wollen. Doch wer heute das Wirtschaftsgeschehen studiert, muss zu dem Schluss kommen, dass dies völlig altmodisches Denken ist. Heute geht es vor allem großen Unternehmen immer öfter und immer mehr darum, dem Staat möglichst viel Geld in Form von Förderungen und Subventionen abzunehmen – jedenfalls mehr als die Konkurrenten abgreifen können. An die Stelle der Fähigkeit, den Kunden zum Kauf zu überzeugen, tritt so immer öfter die Fähigkeit, den Staat zur Herausgabe von möglichst viel Steuergeld zu überreden, als unternehmerische Kernkompetenz.
Fast täglich werden derartige Fälle publik, und die Summen, um dies es dabei geht, sind mittlerweile so irre, dass selbst ein paar Hundert Millionen Euro kaum noch Aufmerksamkeit erregen. So hat etwa die EU-Kommission erst unlängst offiziell ihr Okay dazu gegeben, dass der slowakische Staat dem Volvo-Konzern 267 Millionen Euro dafür schenken darf, dass Volvo im Osten des Landes ein neues Werk für Elektroautos errichtet, ohne dass dies für auch nur marginale mediale Aufregung gesorgt hat. Die Causa ist insofern delikat, als Volvo sich im Besitz der chinesischen Geely-Gruppe befindet und China gerade dabei ist, mit seinen Elektroautos Europa in Grund und Boden zu konkurrenzieren. Dass ein EU-Staat den Chinesen da noch Geld schenkt, folgt aber der Logik des neuen Staatsinterventionismus, der gerade um sich greift wie das Coronavirus vor ein paar Jahren.
Dabei sind die 267 Millionen nur Kleingeld im Vergleich zu den Summen, die Staaten derzeit sonst so verschenken. Denn am gleichen Tag, an dem die EU diesen Deal genehmigte, wurde bekannt, dass die USA dem taiwanesischen Chiphersteller TSMC knapp zwölf Milliarden Euro an Subventionen für die Errichtung einer neuen Chipfabrik in Arizona spendieren wollen. Und so geht das am laufenden Band: Erst jüngst erhielt der Batteriehersteller
Northvolt – größter Aktionär dort ist übrigens VW – 700 Millionen Euro von Deutschland für die Errichtung einer Fabrik geschenkt, Frankreich zahlt dem taiwanesischen Energieunternehmen Prologium gar 1,5 Milliarden Euro, ebenfalls für eine Batteriefabrik.
Die vielen Milliarden, die da fließen, werden stets mit den gleichen Argumenten verteidigt: „Grüne Transformation“, Abbau von Abhängigkeiten, mehr Sicherheit gegenüber einem Bruch der Lieferketten, Förderung sogenannter strukturschwacher Gebiete. Und Arbeitsplätze, natürlich. All das ist ja nicht ganz falsch, und trotzdem erleben wir gerade einen historisch nahezu einmaligen Verstoß gegen die fundamentalsten ordnungspolitischen Regeln einer freien Marktwirtschafft. Denn immer mehr maßen sich Staaten und Politiker an zu entscheiden, wer was mit welchen Technologien herstellen soll und wer nicht, was Zukunft hat und was nicht.
Das aber ist in einer funktionierenden Marktwirtschaft nicht ihre Aufgabe, dafür sind Unternehmer zuständig, denen auch ein entsprechender Gewinn zusteht, wenn sie ihren Job im Sinn der Konsumenten erledigen, und die Insolvenz droht, wenn sie dazu nicht imstand sind. Aufgabe des Staats ist es, optimale Bedingungen dafür zu schaffen und zu gewährleisten, nicht aber, Steuergeld direkt an Unternehmen auszuschütten, diese Ressourcen kann und soll er in Bildung, Infrastruktur oder soziale Sicherung stecken und damit den Standort attraktiv machen.
Davon aber sind wir mittlerweile so weit entfernt wie Kuba von einer neoliberalen Wirtschaftsordnung. Das Erschreckende daran ist, dass bekanntlich alle Versuche großflächiger und langfristiger staatlicher Lenkung und Planung des Wirtschaftslebens abgestürzt sind – eine „gescheiterte Idee, die niemals stirbt“(so der Autor Kristian Niemietz). Daraus den Schluss zu ziehen, es eben noch einmal zu probieren, ist vielleicht nicht die weiseste Entscheidung.
‘‘ Aufgabe des Staats ist es, optimale Bedingungen für Unternehmen zu schaffen, nicht aber, Steuergeld direkt an diese auszuschütten.