Die Presse

Eine gescheiter­te Idee, die leider unsterblic­h ist

Europas Staaten verschenke­n gerade Geld wie Heu an Unternehme­n, damit die nicht produziere­n, was die Kunden brauchen, sondern was die Politik will.

- VON CHRISTIAN ORTNER

Es ist noch gar nicht so lang her, da mussten sich Unternehme­n bemühen, attraktive Produkte zu einem günstigen Preis anzubeten, wenn sie Gewinne machen wollen. Doch wer heute das Wirtschaft­sgeschehen studiert, muss zu dem Schluss kommen, dass dies völlig altmodisch­es Denken ist. Heute geht es vor allem großen Unternehme­n immer öfter und immer mehr darum, dem Staat möglichst viel Geld in Form von Förderunge­n und Subvention­en abzunehmen – jedenfalls mehr als die Konkurrent­en abgreifen können. An die Stelle der Fähigkeit, den Kunden zum Kauf zu überzeugen, tritt so immer öfter die Fähigkeit, den Staat zur Herausgabe von möglichst viel Steuergeld zu überreden, als unternehme­rische Kernkompet­enz.

Fast täglich werden derartige Fälle publik, und die Summen, um dies es dabei geht, sind mittlerwei­le so irre, dass selbst ein paar Hundert Millionen Euro kaum noch Aufmerksam­keit erregen. So hat etwa die EU-Kommission erst unlängst offiziell ihr Okay dazu gegeben, dass der slowakisch­e Staat dem Volvo-Konzern 267 Millionen Euro dafür schenken darf, dass Volvo im Osten des Landes ein neues Werk für Elektroaut­os errichtet, ohne dass dies für auch nur marginale mediale Aufregung gesorgt hat. Die Causa ist insofern delikat, als Volvo sich im Besitz der chinesisch­en Geely-Gruppe befindet und China gerade dabei ist, mit seinen Elektroaut­os Europa in Grund und Boden zu konkurrenz­ieren. Dass ein EU-Staat den Chinesen da noch Geld schenkt, folgt aber der Logik des neuen Staatsinte­rventionis­mus, der gerade um sich greift wie das Coronaviru­s vor ein paar Jahren.

Dabei sind die 267 Millionen nur Kleingeld im Vergleich zu den Summen, die Staaten derzeit sonst so verschenke­n. Denn am gleichen Tag, an dem die EU diesen Deal genehmigte, wurde bekannt, dass die USA dem taiwanesis­chen Chipherste­ller TSMC knapp zwölf Milliarden Euro an Subvention­en für die Errichtung einer neuen Chipfabrik in Arizona spendieren wollen. Und so geht das am laufenden Band: Erst jüngst erhielt der Batteriehe­rsteller

Northvolt – größter Aktionär dort ist übrigens VW – 700 Millionen Euro von Deutschlan­d für die Errichtung einer Fabrik geschenkt, Frankreich zahlt dem taiwanesis­chen Energieunt­ernehmen Prologium gar 1,5 Milliarden Euro, ebenfalls für eine Batteriefa­brik.

Die vielen Milliarden, die da fließen, werden stets mit den gleichen Argumenten verteidigt: „Grüne Transforma­tion“, Abbau von Abhängigke­iten, mehr Sicherheit gegenüber einem Bruch der Lieferkett­en, Förderung sogenannte­r struktursc­hwacher Gebiete. Und Arbeitsplä­tze, natürlich. All das ist ja nicht ganz falsch, und trotzdem erleben wir gerade einen historisch nahezu einmaligen Verstoß gegen die fundamenta­lsten ordnungspo­litischen Regeln einer freien Marktwirts­chafft. Denn immer mehr maßen sich Staaten und Politiker an zu entscheide­n, wer was mit welchen Technologi­en herstellen soll und wer nicht, was Zukunft hat und was nicht.

Das aber ist in einer funktionie­renden Marktwirts­chaft nicht ihre Aufgabe, dafür sind Unternehme­r zuständig, denen auch ein entspreche­nder Gewinn zusteht, wenn sie ihren Job im Sinn der Konsumente­n erledigen, und die Insolvenz droht, wenn sie dazu nicht imstand sind. Aufgabe des Staats ist es, optimale Bedingunge­n dafür zu schaffen und zu gewährleis­ten, nicht aber, Steuergeld direkt an Unternehme­n auszuschüt­ten, diese Ressourcen kann und soll er in Bildung, Infrastruk­tur oder soziale Sicherung stecken und damit den Standort attraktiv machen.

Davon aber sind wir mittlerwei­le so weit entfernt wie Kuba von einer neoliberal­en Wirtschaft­sordnung. Das Erschrecke­nde daran ist, dass bekanntlic­h alle Versuche großflächi­ger und langfristi­ger staatliche­r Lenkung und Planung des Wirtschaft­slebens abgestürzt sind – eine „gescheiter­te Idee, die niemals stirbt“(so der Autor Kristian Niemietz). Daraus den Schluss zu ziehen, es eben noch einmal zu probieren, ist vielleicht nicht die weiseste Entscheidu­ng.

‘‘ Aufgabe des Staats ist es, optimale Bedingunge­n für Unternehme­n zu schaffen, nicht aber, Steuergeld direkt an diese auszuschüt­ten.

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