Innsbruck: Ein ÖVP-Sieg ohne ÖVP
Johannes Anzengruber triumphiert bei der Innsbruck-Wahl – und zeigt der ÖVP vor, dass Bürgerliche immer noch gewinnen können.
Wie triumphal kann ein Erfolg sein? Johannes Anzengruber, früherer ÖVP-Vizebürgermeister, dem die eigene Partei den ganz großen Erfolg nicht zugetraut und deshalb Florian Tursky vor die Nase gesetzt hat, ist neuer Bürgermeister von Innsbruck. Und das, nachdem die ÖVP ihn abgewählt und aus der Partei ausgeschlossen hat – um dann kurioserweise eine Wahlempfehlung für ihn abzugeben. Ob die ÖVP mit Anzengruber an der Spitze gewonnen hätte, werden wir nie erfahren. Möglicherweise schreckt die Partei viele Wähler derzeit ab.
Dabei wäre Anzengruber geradezu der Idealtypus dessen, was man sich unter einem ÖVPPolitiker vorstellt: Ein durch und durch bürgerlicher, unaufgeregter Politiker mit Wirtschaftskompetenz, vielleicht etwas zu bieder. Aber auch das Image kann sich im Amt verändern. Für Georg Willi ist der Ausgang der Stichwahl eine herbe Enttäuschung, für einen amtierenden Bürgermeister hat er doch recht deutlich verloren. Trotzdem hat es das grüne Urgestein geschafft, die Grünen wieder zu einer bestimmenden Kraft in der Tiroler Landeshauptstadt zu machen. Allein schon stärkste Fraktion im Gemeinderat zu bleiben ist ein großer Erfolg, von dem andere grüne Listen in den großen Städten weit entfernt sind.
Jedenfalls bestätigt das Innsbrucker Wahlergebnis den Trend der vergangenen Jahre: In den Städten gehört das Parteiensystem, das wir gewohnt sind, bereits der Vergangenheit an. Die Wähler sind bereit für Experimente abseits der etablierten Parteien: Der Grüne Georg Willi in Innsbruck hat den Anfang gemacht, aber auch die Kommunistin Elke Kahr in Graz und Christian Scheider vom Team Kärnten – einer Partei, die für Populismus aller weltanschaulichen Richtungen offen ist – in Klagenfurt haben sich durchgesetzt. Kai-Michael Dankl (KPÖ) ist in Salzburg knapp gescheitert. Johannes Anzengruber ist jetzt das nächste Beispiel.
Nichts zu holen ist derzeit für die ÖVP, die den Anspruch hat, die bürgerliche Mitte zu vertreten, aber gerade in den bürgerlich geprägten Städten keine Chance hat. Die Gründe dafür zu erforschen wäre für die in Umfragen darniederliegende Kanzlerpartei von essenzieller Bedeutung. Und sie sollte sich die Frage stellen, ob diese Schwäche nicht auch eine Folge des unter Sebastian Kurz eingeleiteten Kurswechsels zu einer populistischen Politik auf den Spielfeldern der FPÖ ist. Das Konzept hat unter Kurz noch funktioniert, danach aber nicht mehr. Die FPÖ kann damit noch eher reüssieren, wie auch Innsbruck zeigt, Mehrheiten sind in den Städten damit aber keine zu gewinnen.
Gleichzeitig zeigt das Ergebnis aber auch, dass die Kluft zwischen Land und Städten größer wird. Am Land ist die ÖVP noch eine Macht. Dort wird es auch als nicht ganz so wichtig erachtet, wie die Bundespartei performt, die Volkspartei wird oft aus Tradition gewählt. Die FPÖ ist gerade dabei, am Land stark aufzuholen, wobei sie jetzt die Früchte ihrer oft belächelten und irrational wirkenden Coronapolitik erntet. Aus der Kluft kann leicht eine Polarisierung zwischen Stadt und Land werden, was keine gute Entwicklung wäre.