Von Autofabriken bis Polizisten: Wie China seinen Einfluss in Ungarn ausbaut
China ist in Ungarn auf dem Vormarsch. Künftig werden sogar chinesische Polizisten auf den Budapester Straßen patrouillieren.
Der ungarische Premier, Viktor Orbán, rief eine „Ostöffnung“des Landes aus, nachdem er im Jahr 2010 ans Ruder gekommen war. Die von ihm eingeläutete bahnbrechende außen- und handelspolitische Wende bedeutete eine Hinwendung des Landes zu Russland, der Türkei, dem arabischen Raum, Asien und nicht zuletzt China.
Der chinesische Präsident, Xi Jinping, und der ungarische Regierungschef wollen schon in Kürze ein weiteres Kapitel ihrer Freundschaft aufschlagen: Chinas Staatsoberhaupt kommt im Mai für zwei Tage nach Ungarn. Außer Budapest wird Xi auch die Stadt Pécs in Südungarn besuchen. Dort wollen Xi und Orbán den Bau einer großen chinesischen Automobilfabrik, Great Wall Motors, ankündigen, wie ungarische Medien berichten.
Die verstärkte Ausrichtung auf das „Reich der Mitte“ist aber nichts Neues, und sie kommt nicht von ungefähr. Glauben doch viele Magyaren heute immer noch, dass sie die Nachfahren des ehemals gefürchteten Reitervolks der Hunnen seien, die vom Territorium des heutigen China stammten. Allein, diese historische Sicht steht im Widerspruch zu jener anerkannten Theorie, wonach die Wiege der Ungarn am Fuß des Uralgebirges im heutigen Russland ist.
Einkaufszentren und Schulen
Eines ist jedenfalls sicher: China ist schon seit der ersten Hälfte der Nullerjahre in Ungarn, vor allem in Budapest, präsent. So wurde 2003 das sogenannte Asia-Center, ein riesiger chinesischer Einkaufstempel, am Rand der Hauptstadt aus dem Boden gestampft. Aufgrund der wachsenden chinesischen Gemeinschaft in Budapest nahm 2004 darüber hinaus eine zweisprachige chinesischungarische Schule ihren Betrieb auf. Mehr noch: Bis zu seiner Schließung im Jahr 2020 versorgte ein gigantischer chinesischer Markt die Budapester mit Fälschungen von Markenwaren aus der Bekleidungs-, Parfümund Elektronikindustrie.
Damit nicht genug, schaltete die Regierung Orbán in den vergangenen Jahren noch einen Gang höher. Sie ging nicht nur daran, Massen von chinesischen Touristen ins Land zu locken, sondern auch Banken, eine Elite-Universität sowie die größten Unternehmen der chinesischen Batterieund E-Auto-Produktion – und das mit milliardenschweren Zuschüssen.
Der jüngste Coup der Regierung: Um Touristen aus China, deren Zahl sich in Ungarn seit 2022 vervierfacht hat, dabei zu helfen, die sprachlichen Barrieren zu überbrücken, werden auf den Budapester Straßen künftig ungarische und chinesische Polizisten Seite an Seite patrouillieren. Wie der Staatssekretär des Innenministeriums, Bence Rétvári, betonte, werden die entsendeten chinesischen Polizeibeamten in Ungarn aber
„keine polizeilichen Befugnisse“haben. Sie würden ihren ungarischen Kollegen lediglich als Übersetzer zur Seite stehen.
Rétvári verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass während der Sommermonate auch ungarische Polizisten am kroatischen Meer, dem beliebtesten Reiseziel der Magyaren, im Einsatz seien, oder dass österreichische Polizeibeamte sommers am Balaton tätig seien. Solche Kooperationen seien folglich keineswegs ungewöhnlich. Dennoch befürchten viele Beobachter, dass China durch die Entsendung von Polizisten das Ziel verfolge, seinen Einfluss in Ungarn und dadurch in Europa zu erhöhen.
Illegale Polizeireviere
Was chinesische Polizisten in Ungarn angeht, schlugen im Jahr 2022 bereits die Enthüllungen der internationalen Rechtsschutz-NGO Safeguard Defenders hohe Wellen, wonach in Budapest illegale chinesische Polizeireviere tätig gewesen seien, deren Aufgabe vor allem darin bestanden habe, die große chinesische Gemeinschaft in Ungarn im Auge zu behalten. Laut Experten waren diese enttarnten „Wachen“als verlängerter Arm des chinesischen Polizeistaates tätig.
Wichtigster Handelspartner
Auf der Wirtschaftsebene hat China in Ungarn bereits Wurzeln geschlagen. Mit Blick auf den Bankensektor etwa hatte sich die Bank of China, die zehntgrößte Bank weltweit, 2014 in Ungarn niedergelassen. Im Vorjahr folgte die China Construction Bank, der zweitgrößte Kreditgeber international. Die beiden Banken sind aber nicht die einzigen chinesischen Konzerne in Ungarn.
Der weltweit größte Batteriehersteller für Elektroautos, CATL, ist gerade dabei, ein riesiges Werk nahe der ostungarischen Stadt Debrecen zu errichten. Der im internationalen Vergleich größte E-Auto-Produzent, BYD, wiederum wird eine Megafabrik in der südostungarischen Stadt Szeged bauen. Auf China entfallen mittlerweile mehr als vier Prozent des gesamten ungarischen Außenhandels. Der asiatische Riese ist heute einer der wichtigsten Handelspartner Ungarns, ja der größte außerhalb der EU. Inzwischen ist China auch einer der bedeutendsten ausländischen Investoren in Ungarn.
Campus für Elite-Uni
Schließlich ist da noch die 1905 gegründete Shanghaier Fudan-Universität. Sie soll, eingebettet in einen 520.000 Quadratmeter großen Campus, die Central European University in Budapest ersetzen, die wegen ihrer „politischen Ausrichtung“von der Regierung Orbán 2019 regelrecht hinausgeekelt wurde und seither in Wien ihren Sitz hat. Der ebenfalls 2019 beschlossene 580 Milliarden Forint (rund 1,5 Milliarden Euro) teure Bau der chinesischen Elite-Uni spießt sich allerdings. Noch ist unklar, wann sie errichtet wird. Der Bildungsforscher István Polónyi warnt schon jetzt: Die Fudan-Universität werde in Ungarn nicht nur Bildungsziele verfolgen. Hinter ihrem Bau stünde auch ein machtpolitisches Kalkül Chinas.