Neuer Schwung für Verhandlungen in Riad
Sowohl Israel als auch die Hamas werden zu Zugeständnissen gedrängt, um eine Kampfpause im Gazastreifen zu erreichen. In Riad könnte am Rande des Weltwirtschaftsforums eine Einigung erzielt werden.
In der saudischen Hauptstadt Riad wollen Vermittler den Durchbruch für eine Feuerpause in Gaza schaffen. Arabische und westliche Spitzenpolitiker wollen ein zweitägiges Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) nutzen, um die Gespräche über eine Kampfpause voranzubringen. WEF-Chef Börge Brende sprach in Riad von „neuem Schwung“für eine Lösung. Einer der Gründe für den Optimismus ist, dass Israel erstmals auf eine Kernforderung des Kriegsgegners Hamas eingegangen ist.
Katar, Ägypten und die USA versuchen seit Wochen, Israel und die palästinensische Terrorgruppe Hamas auf eine neue Waffenruhe festzulegen. Die Vermittler standen mehrmals vor einem Durchbruch, scheiterten aber an der Kompromisslosigkeit der Konfliktparteien. Die bisher einzige Feuerpause seit Kriegsausbruch am 7. Oktober brachte im November rund hundert Geiseln der
Hamas die Freiheit, hielt aber nur eine Woche. Weitere rund hundert Geiseln sind noch in der Gewalt der Hamas.
Tausende Zivilisten, die in Gaza festsitzen, könnten nach Einschätzung der UNO verhungern, wenn nicht bald die Waffen schweigen. Israel droht mit einer Offensive auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens, wo sich mehr als eine Million Zivilisten drängen. Eine Einigung zwischen Israel und der Hamas würde den Angriff auf Rafah verhindern. Sein Land bereite sich auf die Offensive in Rafah vor, sagte der israelische Außenminister Israel Katz. Er hoffe aber, „dass es einen Deal geben wird“.
Eine Geisel pro Tag Waffenruhe
In den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas besteht seit Wochen weitgehende Einigkeit über eine 40-tägige Kampfpause, um eine bessere Versorgung der Zivilisten in Gaza und die Freilassung von 40 weiteren Hamas-Geiseln – Frauen, Kranken und älteren Männern – zu ermöglichen: eine Geisel für jeden Tag Waffenruhe.
Bisher scheiterte eine Einigung aber am Streit über drei Punkte. Die Hamas forderte, nach den ersten 40 Tagen Feuerpause solle eine unbegrenzte Waffenruhe mit dem Rückzug der israelischen Armee aus Gaza beginnen – Israel lehnte das bisher ab und blieb bei seinem Kriegsziel, die Hamas militärisch zu vernichten. Israel wandte sich auch gegen die Rückkehr aller vertriebenen Zivilisten in den Norden des Gazastreifens. Zudem sagte die Hamas, sie habe nur noch etwa 20 weibliche, kranke und ältere Geiseln. Die übrigen sind demnach Männer unter 50 Jahren.
Sowohl Israel als auch die Hamas werden zu Zugeständnissen gedrängt. Amerika, der wichtigste Partner Israels, hat den Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erhöht, um eine Einigung zu erreichen, weil der Gaza-Krieg die Wahlchancen von USPräsident Joe Biden verschlechtert. Die Regierung von Katar ist frustriert, weil die Hamas mehrere Einigungsvorschläge abgelehnt hat, und soll führenden Hamas-Funktionären in dem Emirat damit gedroht haben, sie aus dem Land zu werfen.
Nun deuten sich neue Fortschritte an. US-Regierungsvertreter sagten vorige Woche, bei der Hamas gebe es neue Signale für eine Einigung. Der Hamas-Funktionär Khalil al-Hayya, einer der Unterhändler in den Gesprächen über eine Feuerpause, bot ein endgültiges Ende des bewaffneten Kampfes gegen Israel an, wenn der jüdische Staat der Gründung eines Palästinenserstaates zustimme.
Israel erklärte sich nach einem Bericht der US-Nachrichtenseite „Axios“bereit, über die Hamas-Forderung nach einer dauerhaften „Ruhe“in Gaza, über die Rückkehr von Zivilisten in den Norden des Gazastreifens und über einen Teilabzug der israelischen Armee zu sprechen. Hamas-Funktionär Hayya erklärte, seine Organisation prüfe die neuesten israelischen Vorschläge, die ägyptische Vermittler in den vergangenen Tagen in Israel abgeholt hatten. Zudem veröffentlichte die Terrorgruppe neue Videos einiger Geiseln, offenbar um zu beweisen, dass sie leben.
Blinken reist nach Riad
Das WEF-Forum in Riad könnte die Verhandlungen beschleunigen, weil das Treffen viele wichtige Politiker in Saudiarabien zusammenbringt. Die „Schlüsselakteure“seien in Riad versammelt, sagte WEF-Chef Brende, ein früherer norwegischer Außenminister. Dazu zählen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Spitzenpolitiker aus Ägypten, Katar und anderen arabischen Staaten sowie US-Außenminister Antony Blinken, der zum Abschluss des zweitägigen Treffens an diesem Montag in Riad erwartet wird. Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock fliegt zu der Konferenz nach Saudiarabien. Die Hamas will nach israelischen Medienberichten in den kommenden Tagen ihre Antwort auf die jüngsten israelischen Vorschläge an die Vermittler schicken.