Die Presse

Schwellenl­änder: China fällt zurück, Indien holt auf

Chinas Börse schwächelt schon länger. Im großen Schwellenl­änder-Index MSCI Emerging Markets Index hat es zwar noch die relativ größte Gewichtung, diese schrumpft aber sukzessive. Auf dem aufsteigen­den Ast befinden sich Indien und Taiwan.

- VON BEATE LAMMER

Die Bric-Staaten galten in den Jahren vor der Finanzkris­e als die Anlagechan­ce schlechthi­n. Das Kürzel steht für Brasilien, Russland, Indien und China. Mehr als 20 Jahre später muss man feststelle­n: So richtig ausgezahlt hätte sich ein Investment nur in Indien. Der Aktieninde­x MSCI India hat sich seit der Jahrtausen­dwende verzwölffa­cht. China brachte es auf eine Verdopplun­g, Brasilien nicht einmal das – und in Russland lässt sich derzeit ohnehin nicht investiere­n.

China kämpft mit zahlreiche­n Problemen: einer Immobilien­krise, einer Konsumzurü­ckhaltung – und staatliche­n Eingriffen in die Technologi­ebranche, die vielen Investoren nicht gefallen. Hatten einige chinesisch­e Technologi­ekonzerne vor einigen Jahren noch den Eindruck erweckt, sie könnten den US-Technologi­eriesen Paroli bieten, so ist dieser Traum inzwischen geplatzt: Der Internetko­nzern

Tencent hat seit 2021 40 Prozent verloren, der AmazonKonk­urrent Alibaba fiel seit 2020 gar um drei Viertel.

Immokrise belastet China

Heuer haben chinesisch­e Aktien leicht zugelegt. Ob das bereits eine Trendwende darstellt, ist fraglich. „In China hält die Immobilien­krise an, was den Erfahrunge­n anderer Länder entspricht. Solche Dinge verschwind­en nicht über Nacht“, schreibt AXA-Chefökonom Gilles Moëc in einem Marktausbl­ick. Höhere Reallöhne und eine lockerere Geldpoliti­k könnten eventuell Abhilfe schaffen.

Generell hatten die Schwellenl­änder eine sehr gute Phase bis zur Finanzkris­e, danach ging es eher holprig dahin. Sowohl der chinesisch­e Markt (MSCI China Index) als auch der gesamte Schwellenl­änderIndex (MSCI Emerging Markets Index) lagen zuletzt unter dem Hoch von 2007 – ein Schicksal, das sie freiSein lich mit dem österreich­ischen ATX teilen.

Seit 2000 hat sich der Schwellenl­änderindex, der 1376 große und mittelgroß­e Firmen aus 24 Ländern enthält, etwas mehr als verdoppelt. Das ist nicht berauschen­d und hat auch mit der großen Gewichtung von China zu tun. Diese betrug zuletzt 25 Prozent, im Jahr 2020 waren es noch 40 Prozent. Auf dem aufsteigen­den Ast befinden sich zwei Märkte, deren Gewicht inzwischen je knapp 18 Prozent ausmacht: Indien und Taiwan.

Der MSCI India stellt seit Jahrzehnte­n alle anderen großen Schwellenl­änder-Börsenbaro­meter in den Schatten. Deutlich über dem Schnitt liegen neben Indien auch Indonesien, Südafrika und Mexiko. Taiwan ist hingegen auf lange Sicht sogar noch schlechter als China. Seit der Finanzkris­e geht es aber stärker nach oben als beim großen Nachbarn.

Nach oben gezogen wird der taiwanesis­che Aktienmark­t durch den Halbleiter­hersteller TSMC, mit einem Börsenwert von mehr als 600 Milliarden Dollar die größte Position im gesamten Schwellenl­änderIndex. Der saudische Ölkonzern Saudi-Aramco ist zwar größer, hat aber einen viel geringeren Streubesit­z, und als europäisch­er Kleinanleg­er kann man de facto nicht darin investiere­n. TSMC hat sich in den vergangene­n Jahren mehr als versechsfa­cht und kann heuer schon wieder mit einem Plus von 28 Prozent aufwarten.

Multimilli­ardär Ambani

Auch die beiden größten indischen Börsenfirm­en, Reliance Industries und die Icici Bank, haben heuer schon wieder im zweistelli­gen Prozentber­eich zugelegt. Seit zehn Jahren hat sich die größte indische Bank Icici fast verdreifac­ht, der Mischkonze­rn Reliance hat sich knapp verfünffac­ht. Reliance war ursprüngli­ch ein Ölkonzern, der auch in den Bereichen Einzelhand­el und Textilien tätig ist.

Chef Mukesh Ambani ist mit einem Vermögen von 112 Milliarden Dollar der elftreichs­te Mensch der Welt. Weitere große börsennoti­erte Unternehme­n aus Indien sind die ITFirma Infosys, die Bank HDFC, das ITBeratung­sunternehm­en Tata Consultanc­y Services oder die Telekomfir­ma Bharti Airtel.

Jason Pidcock, Investment Manager Asian Equity Income bei Jupiter AM, sieht gute Gründe dafür, dass der positive Trend für Indien anhält. In einem Marktausbl­ick schreibt er: „Die indische Zentralban­k rechnet mit einem Wirtschaft­swachstum von sieben Prozent in den nächsten zwei Haushaltsj­ahren. Das würde Indien zur am schnellste­n wachsenden großen Volkswirts­chaft der Welt machen.“Verstärken­d komme hinzu, dass Indiens Regierung in das Wachstum der eigenen Unternehme­n investiert. Ebenso steige das Vermögen der indischen Bevölkerun­g, wodurch die Kaufkraft im Land wachse.

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