Wenn es auf die Größe ankommt
Große Firmen schnitten zuletzt besser ab als kleine – sowohl während der Bergfahrt im ersten Quartal als auch während des Rückgangs im April.
Der Gründer des US-amerikanischen Indexfonds-Riesen Vanguard, John Bogle, war einer der bekanntesten Unterstützer der Weisheit „Reversion to the Mean“beziehungsweise „Rückkehr zum Mittelwert“. Demnach zählen die Sieger von heute meist zu den Verlierern von morgen. Das gelte, so Bogle, sowohl für einzelne Geldmanager als auch für unterschiedliche Aktien und Aktienkategorien.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein herkömmlicher Investor den Gesamtmarkt auf Dauer schlagen kann, sei deshalb verschwindend gering. In der Tat zeigt sich immer wieder, dass sehr erfolgreiche Fondsmanager, die sich auf eine gewisse Kategorie spezialisieren, in den nächsten Jahren oft als Verlierer dastehen. Das aktuell bekannteste Beispiel ist der ARK-Fonds von Cathie Woods. Die Geldakrobatin setzte während der Pandemie früh auf die Telefonkonferenz-Firma Zoom oder den Multimedia-Anbieter Roku und wurde als großer Star gefeiert. Nun folgt das Erwachen, im ersten Quartal verloren die ARK-Anteile 16 Prozent, während der S&P 500 im Plus notierte. Die Anleger laufen zum Ausgang, das Fondsvolumen ist seit Jänner um ein Drittel zurückgegangen.
Umso überraschender mag die Tatsache sein, dass die „Reversion to the Mean“-Theorie für die Giganten des S&P 500 Index aktuell nicht zu gelten scheint. So hat das „Wall Street Journal“vor Kurzem errechnet, dass die größten Mitglieder des Leitindex die kleineren konstant abhängen. Sie schnitten 2023 besser ab – getragen von der Hoffnung auf sinkende Zinsen. Ebenso schnitten sie im ersten Quartal 2024 besser ab, als sich die Hoffnung auf sinkende Zinsen schrittweise in Luft zerschlug. Und auch im April, als der Gesamtmarkt nachgab, brachen die Kurse der größeren Firmen weniger ein als jene der kleinen. Konkret unterteilte die Zeitung die 500 Mitglieder des
S&P Index in Dezile zu jeweils 50 Firmen. Dabei zeigt sich in nahezu linearer Form, sowohl am Weg nach oben im ersten Quartal als auch am Weg nach unten im April, dass die Leistung mit Abnahme der Marktkapitalisierung immer schlechter wurde. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei einem Vergleich des S&P 500, der die 500 größten US-Firmen beinhaltet, unterscheidet sich aber deutlich vom Dow Jones, der nur 30 Werte umfasst, die von einem Indexkomitee nach ihrer Bedeutung für die amerikanische Wirtschaft ausgewählt werden.
Was: Die größten Positionen im S&P 500 sind Microsoft, Apple, Nvidia, Google-Mutter Alphabet sowie Meta. mit dem Russell 2000, der die 2000 kleinsten Firmen abdeckt. Im ersten Quartal gewann der S&P 500 zehn Prozent, und der Russell 2000 legte um fünf Prozent zu. Im April verloren beide an Wert, das Minus ist beim Russell 2000 jedoch größer als beim S&P 500.
Rückkehr zum Mittelwert
Das wirft die Frage auf, ob die Theorie von der Rückkehr zum Mittelwert für die Firmengröße nicht gilt. Geht es nach John Bogle, müssten sich die Ergebnisse auf lange Frist annähern. Laut dem 2019 verstorbenen Urgestein der Finanzwelt ist ein dauerhaft besseres Abschneiden einer signifikanten Kategorie innerhalb eines transparenten Marktes wie jenem in den USA de facto unmöglich. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Bogle richtig liegt und die Dominanz der großen US-Firmen irgendwann enden wird.
Ein wichtiger Grund für das schlechtere Abschneiden der kleinen Unternehmen ist im Moment die Aussicht auf höhere Zinsen für einen längeren Zeitraum. Goldman Sachs errechnete kürzlich, dass ein Drittel aller Schulden der Firmen im Russell 2000 einen variablen Zinssatz haben, während der Vergleichswert für die Mitglieder des S&P 500 bei sechs Prozent liegt. Bleiben die Zinsen hoch oder steigen sie nochmals, würden viele Kleinfirmen stark unter der Zinslast leiden, während die großen Betriebe niedrigere, fixe Zinsen bezahlen.
Ein Argument an der Wall Street lautet deshalb, dass die Aktien kleinerer Firmen wieder stärker zulegen werden, sobald die Zinsen sinken. Wann dieser Zeitpunkt kommt, ist ungewiss. Auf das überraschend schwache US-Konjunkturwachstum von 1,6 Prozent im ersten Quartal müsste ein Rückgang der Teuerung folgen, damit die Notenbank Fed die Zinsen wieder senkt. Kurzfristig auf den exakten Zeitpunkt zu setzen, ist für Anleger riskant. Wer aber einen Indexfonds auf Kleinbetriebe kauft und diesen langfristig hält, könnte damit mehr verdienen als mit einer Wette auf die großen US-Firmen.