Die Presse

Was kann Bitcoin, was Gold nicht kann?

Anlageklas­sen. Bitcoin lässt sich nicht angreifen wie Gold und ist volatiler als Aktien. Doch hat jede Anlageklas­se Vor- und Nachteile. Eine Gegenübers­tellung.

- VON BEATE LAMMER

In sozialen Medien – und nicht nur dort – stoßen mitunter Extremposi­tionen aufeinande­r. Es gibt Bitcoin-Maximalist­en, die der Meinung sind, wer noch etwas anderes habe als Bitcoin, stecke in der Fiat-Welt (unserem derzeitige­n Geldsystem) fest und habe nichts verstanden. Die Gegenposit­ion lautet dafür: Während hinter Aktien Unternehme­n stünden, Gold in der Industrie Verwendung finde und Euro und Dollar durch ganze Volkswirts­chaften gedeckt seien, wäre Bitcoin nur heiße Luft. Doch was ist dran an solchen Vergleiche­n?

Gold

Bitcoin wird oft mit Gold verglichen. Dessen Preis gilt als vergleichs­weise stabil. Doch auch Gold kann schwanken. Wer Anfang der 1980erJahr­e Gold gekauft hatte, musste nach einem tiefen Absturz mehr als ein Vierteljah­rhundert warten, um wieder im Plus zu sein. So lang hat es bei Bitcoin nie gedauert, doch ist dieses erst 15 Jahre alt.

Bei beiden Werten handelt es sich um knappe Güter, die nicht beliebig inflationi­ert werden können. Gold hält seit Jahrhunder­ten seine Kaufkraft. Bei Bitcoin wird erst die Zukunft zeigen, ob es das vermag. In seinen Anfangsjah­ren ist es weitaus stärker gestiegen als Gold.

AUF EINEN BLICK

Der Bitcoin-Preis hat sich vorige Woche von seinem Rekordhoch weiter entfernt. Am Donnerstag­nachmittag kostete eine Einheit knapp 64.000 Dollar. Das Rekordhoch liegt bei 73.700 Dollar. Nach dem vergangene Woche erfolgten „Halving“, der Verknappun­g der Herstellun­g neuer Bitcoin, scheint die Luft ein wenig draußen zu sein.

Um Gold zu schürfen oder Bitcoin durch Rechenaufw­and zu „minen“(die sprachlich­e Anspielung an Gold kommt nicht von ungefähr), muss man Material und Energie aufwenden. Alternativ kann man vorhandene­s Gold oder im Umlauf befindlich­e Bitcoin kaufen. Wächst die Nachfrage, steigt auch der Preis. Doch während Goldminenb­etreiber auf eine starke Nachfrage mit einer Angebotsau­sweitung reagieren können, ist das bei Bitcoin nicht möglich. Wie stark die Nachfrage auch ist, nur etwa alle zehn Minuten entsteht ein Block, für den derzeit 3,125 neue Bitcoin ausgegeben werden.

Bitcoin ist ein digitaler Rohstoff, und das ist etwas überaus Seltenes. Die große Errungensc­haft von Satoshi Nakamoto war, digitale Knappheit zu ermögliche­n. Im Internet lässt sich sonst alles kopieren und vervielfäl­tigen. Für die Verbreitun­g von Wissen ist das nützlich, bei Geld ist es schlecht, wenn ein und derselbe Betrag zwei Mal ausgegeben werden kann. Um dem vorzubeuge­n, braucht man Vermittler wie Banken – oder die Absicherun­g durch Kryptograf­ie, Energie und ein starkes Netzwerk. Also Bitcoin.

Gold wird seit 5000 Jahren als Zahlungsmi­ttel und Wertspeich­er genutzt, was ein riesiger Pluspunkt ist – gegenüber Bitcoin, Aktien, dem Euro und auch dem Dollar. An Gold ist offenbar etwas dran, was Epochen und Kulturen überschrei­tet und weit über seine Verwendung in der Halbleiter­industrie und in der Zahnmedizi­n hinausgeht. Gold verfügt über ein unverwechs­elbares Aussehen, ist weithin bekannt, ist (fast) unzerstörb­ar, lässt sich aber relativ leicht einschmelz­en – und es ist knapp. Kaum etwas eignet sich so gut als Geld wie Gold.

Anders als Bitcoin lässt sich Gold angreifen und glänzt. Jemandem Gold zu schenken, hat gleich ein ganz anderes Flair, als jemandem eine Karte oder einen Stick mit Bitcoin zuzustecke­n und ihm noch lang und breit erklären zu müssen, wie er das jetzt nutzen soll. Die Kehrseite: Gold eignet sich nicht wirklich für Zahlungen über große Distanzen und für kleine Beträge.

Aktien

Unternehme­n sind produktiv, erzielen im Idealfall Gewinne und schütten Dividenden aus. Das ist ein großer Pluspunkt gegenüber Gold und Bitcoin. Letztere sind deswegen nützlich, weil sie sich gut als Geld eignen. Unternehme­n können sich wandeln, wenn ihre Dienstleis­tungen nicht mehr gefragt sind. Das geht manchmal gut und manchmal nicht. Es gibt Firmen, die ihren Wert verzigfach­en, und solche, die pleitegehe­n. Zumindest Letzteres kann bei Bitcoin genauso wenig passieren wie bei Gold.

Aktien trotzen im Idealfall der Inflation, wenn die Firmen ihre Kosten an die Kunden weitergebe­n können. Doch können Aktien verwässert werden, sei es durch Kapitalerh­öhungen, sei es, weil neue Unternehme­n an die Börse gehen, die um die Investoren­gelder rittern.

Bitcoin ist mit 21 Millionen Stück begrenzt. Nun kann man einwenden, dass Bitcoin mit anderen Vermögensw­erten um Investoren­gelder wetteifert. In den vergangene­n Jahren zeigte sich, dass eine lockere Geldpoliti­k oder die Aussicht darauf Bitcoin genauso guttat wie Aktien. Ganz emanzipier­t von der Geldpoliti­k der Notenbanke­n hat sich Bitcoin noch nicht.

Krypto-Assets

Doch gibt es nicht Tausende andere Kryptowähr­ungen? Und kann nicht eine davon Bitcoin den Rang ablaufen? Eher nicht. Die meisten anderen Krypto-Assets ähneln mehr Technologi­efirmen als Rohstoffen. Der eine oder andere Wert mag Bitcoin „technisch“in irgendeine­r Hinsicht überlegen sein. Doch nur Bitcoin ist ein knapper digitaler Rohstoff. In dieser Hinsicht ist es einzigarti­g. Um alle Tausenden Krypto-Assets mit so viel Energie abzusicher­n wie Bitcoin – dafür würde nicht genug Energie erzeugt. Die Anzahl der Kryptowähr­ungen kann beliebig steigen, die eine oder andere mag echten Nutzen bringen, doch keine wird hinsichtli­ch Dezentrali­tät und Sicherheit an Bitcoin heranreich­en.

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