Physiker der TU Wien berichten: Erstmals gelang es, mit Laserlicht einen Atomkern anzuregen
Eine lang gesuchte Verbindung von Quanten- und Kernphysik: Thorium-Atomkerne ließen sich via Laserlicht in einen höheren Energiezustand versetzen. Das könnte Atomkernuhren ermöglichen.
Warum ist unsere Welt farbig und nicht nur langweilig braun? Weil Quantensysteme – etwa Elektronen in Atomen – nur ganz bestimmte Energiezustände einnehmen können. Das heißt: Sie können auch nur definierte Energiemengen aufnehmen oder abgeben, die jeweils für sie typisch sind. Darum färbt Natrium die Flamme gelb, aber Kalium violett. Und darum kann man mit einem Laser messen, welche Energiezustände z. B. ein Elektron in einem Atom hat: Entspricht die Energie des Lasers genau der Differenz zwischen dem niedrigsten Energiezustand des Elektrons (seinem Grundzustand) und einem höheren Zustand, dann kann das Elektron in den höheren Zustand springen. Die Physiker sagen: Es wird angeregt.
Auch ein Atomkern, der aus Protonen und Neutronen besteht (und diese wiederum aus Quarks), ist ein Quantensystem, wenn auch ein komplizierteres. Auch er kann mehrere Energiezustände einnehmen. Kann man ihn also mit Laserlicht anregen? Eher nicht, sagt die physikalische Schulweisheit: Die Differenzen zwischen den Energiezuständen eines Atomkerns sind zu groß. Das ist schade, denn Physiker würden erstens gern die Energien der Zustände von Atomkernen mittels Laser messen. Zweitens sind Atomkerne viel kleiner als Atome, darum auch weniger anfällig für Störungen durch elektromagnetische Felder. So würden sie präzisere Messungen erlauben. Man könnte etwa mit Atomkernuhren die Zeit noch genauer messen als mit Atomuhren.
Zum Glück gibt es doch einen – nicht allzu exotischen – Atomkern, der einen Energiezustand hat, der ungewöhnlich nahe dem Grundzustand liegt: das Thorium-Isotop 229Th. Das Element Thorium, von seinem schwedischen Entdecker Jöns Jakob Berzelius 1829 nach dem germanischen Gott Thor benannt, kommt in etlichen Isotopen vor, die alle radioaktiv sind. 229Th ist eher selten, es entsteht beim radioaktiven Zerfall von Uran.
Im ultravioletten Bereich
Von diesem Zerfall weiß man auch, dass die Differenz zwischen den beiden niedrigsten Zuständen des 229Th nur ungefähr acht Elektronenvolt beträgt. Das entspricht ultraviolettem Licht mit einer Wellenlänge von ungefähr 150 Nanometern. (Sichtbares Licht liegt zwischen 400 und 780 Nanometern.) Seit gut 50 Jahren gibt es UV-Laser, es sollte also möglich sein, diese Thorium-Atome anzuregen.
Das sagt sich leicht, war aber technisch schwierig. Vor allem, weil es mit „ungefähr acht
Elektronenvolt“nicht getan ist. Man muss die Energie auf ein Millionstel Elektronenvolt genau treffen. Und man braucht genug Thorium-Atome auf kleinem Raum. Das erzielten die Forscher um Thorsten Schumm von der TU Wien, indem sie solche in nur einige Millimeter große Kalziumfluorid-Kristalle einbauten.
Radioaktive Kristalle
Auch das ist nicht leicht, weil 229Th ja radioaktiv ist. Darum war es günstig, dass Schumm am Atominstitut im Prater arbeitet, wo man mit Radioaktivität umzugehen versteht. Dort wurden die Kristalle hergestellt. Mit Laserlicht bestrahlt wurden sie an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.
Auch in anderen Labors arbeitet man an der Laseranregung von 229Th. So war es für das Team aus Wien und Braunschweig auch der Sieg in einem wissenschaftlichen Wettrennen, als am 21. November 2023 die Thorium-Kerne endlich ein klares Signal lieferten. Die Publikation in „Physical Review Letters“war entsprechend schnell fertig. Jetzt will man die Technik nutzen. „Von Anfang an war der Bau einer Atomkernuhr ein wichtiges Fernziel“, sagt Schumm. Mit einer solchen könnte man etwa das Gravitationsfeld der Erde, das ja laut Einstein den Fluss der Zeit verändert, vermessen.