Tennisstars in Dauerschleife: Wann ist es zu viel?
Die Spielervereinigung ATP weitet ihre Masters-Turniere wie in Madrid zu „Mini-Grand-Slams“aus. Über eine Reform und ihre Folgen.
Es ist nicht so, dass der Turnierkalender der besten Tennisprofis nicht ohnehin schon dicht gedrängt wäre. Vom traditionellen Saisonstart in Australien Anfang Jänner bis zu den World Tour Finals der Top acht des Jahres Mitte November kennt die Tour nur wenige Verschnaufpausen. Wie aber schafft man für einen Sport noch mehr Popularität und Sichtbarkeit? Selbstredend nicht mit einer Reduktion des Kalenders. Das würde doch auch so gar nicht in diese nach Gigantomanie lechzende Zeit passen.
Nach oben schrauben lässt sich die Anzahl der Turniere aber so einfach auch nicht – es gibt, man mag es kaum glauben, tatsächlich noch Grenzen. Andrea Gaudenzi, Chairman der Spielervereinigung ATP, musste sich also schon etwas Besonderes überlegen, kreativ werden. Was machte der Italiener? Er kündigte 2020 die Ausweitung der bestehenden Masters-Turnierserie, der ATP-1000-Events, an. Das Motto: „The bigger, the better.“Also doch wieder Gigantismus.
Konkret erstrecken sich von den neun ATP-1000-Events bereits fünf über zwölf Turniertage. Ab 2025 sind es dann sieben, werden nur noch
Monte Carlo (April) und Paris-Bercy (Oktober) innerhalb von acht Tagen abgewickelt. Gaudenzi sagt: „Wir versuchen, mehr Tage mit erstklassiger Unterhaltung anzubieten.“
Murrays Kritik
Die Rechnung ist einfach: Mehr Turniertage an attraktiven Schauplätzen wie Madrid bedeuten mehr von allem: mehr Fans, mehr Fernsehzeit, mehr Geld. Vor allem die Stars sollen werbewirksam ins TV-Bild gerückt werden. Zwölf Tage an Berichterstattung sind dann doch besser als acht.
Auch die Spieler bekommen ihr Stück vom größer werdenden Kuchen. Das Preisgeld steigt kontinuierlich, erreicht durch die Ausweitung des Turnierrasters von 56 auf 96 Spieler im Hauptbewerb nun auch mehr Profis aus der zweiten Reihe.
Die Absicht der ATP ist klar: Von Madrid bis Indian Wells und Shanghai sollen „Mini-Grand-Slams“aufgebaut und inszeniert werden. Je länger ein Turnier dauert, desto mehr wird ein Spieler gefordert: Körperlich, aber auch mental.
Andy Murray kennt die Mühlen des Tennissports. Er äußerte schon im Vorjahr Bedenken über die Ausweitung. „Viele Spieler reden darüber, wie lang die Saison ist. Ich glaube nicht, dass diese Änderungen sie verkürzen. Man verbringt einfach noch mehr Zeit bei Turnieren, ist noch mehr unterwegs.“Bis 2022 hatten Spitzenspieler für Madrid und Rom zusammen zweieinhalb Wochen eingeplant. „Jetzt sind es vier.“
Für die weltbeste Spielerin, Iga Swiatek, geht das Argument, ausgeweitete Turniere würden durch spielfreie Tage auch mehr Pausen ermöglichen, ins Leere. „Es ist nicht so, dass wir den Schläger an einem Ruhetag nicht ansehen. Wir müssen ja trotzdem trainieren.“
‘‘ Ruhetage sind nicht wirklich Ruhetage. Wir müssen ja trotzdem trainieren. Iga Swiatek WTA-Nummer eins