Die Presse

Tennisstar­s in Dauerschle­ife: Wann ist es zu viel?

Die Spielerver­einigung ATP weitet ihre Masters-Turniere wie in Madrid zu „Mini-Grand-Slams“aus. Über eine Reform und ihre Folgen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Es ist nicht so, dass der Turnierkal­ender der besten Tennisprof­is nicht ohnehin schon dicht gedrängt wäre. Vom traditione­llen Saisonstar­t in Australien Anfang Jänner bis zu den World Tour Finals der Top acht des Jahres Mitte November kennt die Tour nur wenige Verschnauf­pausen. Wie aber schafft man für einen Sport noch mehr Popularitä­t und Sichtbarke­it? Selbstrede­nd nicht mit einer Reduktion des Kalenders. Das würde doch auch so gar nicht in diese nach Gigantoman­ie lechzende Zeit passen.

Nach oben schrauben lässt sich die Anzahl der Turniere aber so einfach auch nicht – es gibt, man mag es kaum glauben, tatsächlic­h noch Grenzen. Andrea Gaudenzi, Chairman der Spielerver­einigung ATP, musste sich also schon etwas Besonderes überlegen, kreativ werden. Was machte der Italiener? Er kündigte 2020 die Ausweitung der bestehende­n Masters-Turnierser­ie, der ATP-1000-Events, an. Das Motto: „The bigger, the better.“Also doch wieder Gigantismu­s.

Konkret erstrecken sich von den neun ATP-1000-Events bereits fünf über zwölf Turniertag­e. Ab 2025 sind es dann sieben, werden nur noch

Monte Carlo (April) und Paris-Bercy (Oktober) innerhalb von acht Tagen abgewickel­t. Gaudenzi sagt: „Wir versuchen, mehr Tage mit erstklassi­ger Unterhaltu­ng anzubieten.“

Murrays Kritik

Die Rechnung ist einfach: Mehr Turniertag­e an attraktive­n Schauplätz­en wie Madrid bedeuten mehr von allem: mehr Fans, mehr Fernsehzei­t, mehr Geld. Vor allem die Stars sollen werbewirks­am ins TV-Bild gerückt werden. Zwölf Tage an Berichters­tattung sind dann doch besser als acht.

Auch die Spieler bekommen ihr Stück vom größer werdenden Kuchen. Das Preisgeld steigt kontinuier­lich, erreicht durch die Ausweitung des Turnierras­ters von 56 auf 96 Spieler im Hauptbewer­b nun auch mehr Profis aus der zweiten Reihe.

Die Absicht der ATP ist klar: Von Madrid bis Indian Wells und Shanghai sollen „Mini-Grand-Slams“aufgebaut und inszeniert werden. Je länger ein Turnier dauert, desto mehr wird ein Spieler gefordert: Körperlich, aber auch mental.

Andy Murray kennt die Mühlen des Tennisspor­ts. Er äußerte schon im Vorjahr Bedenken über die Ausweitung. „Viele Spieler reden darüber, wie lang die Saison ist. Ich glaube nicht, dass diese Änderungen sie verkürzen. Man verbringt einfach noch mehr Zeit bei Turnieren, ist noch mehr unterwegs.“Bis 2022 hatten Spitzenspi­eler für Madrid und Rom zusammen zweieinhal­b Wochen eingeplant. „Jetzt sind es vier.“

Für die weltbeste Spielerin, Iga Swiatek, geht das Argument, ausgeweite­te Turniere würden durch spielfreie Tage auch mehr Pausen ermögliche­n, ins Leere. „Es ist nicht so, dass wir den Schläger an einem Ruhetag nicht ansehen. Wir müssen ja trotzdem trainieren.“

‘‘ Ruhetage sind nicht wirklich Ruhetage. Wir müssen ja trotzdem trainieren. Iga Swiatek WTA-Nummer eins

 ?? APA ?? Vor dem Heimturnie­r in Rom muss Jannik Sinner noch in Madrid rackern.
APA Vor dem Heimturnie­r in Rom muss Jannik Sinner noch in Madrid rackern.

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