Die Presse

„Der Oppenheime­r-Moment unserer Generation“

In Wien traten hochrangig besetzte Panels zusammen, um über die Zukunft der automatisi­erten Waffensyst­eme zu beraten. Sie verändern die Kriegsführ­ung – und sind eine große Gefahr für die Zivilbevöl­kerung.

- VON DUYGU ÖZKAN

Die Kriegsscha­uplätze dieser Welt vermehren sich kontinuier­lich. Und sehr bald könnte sich der Einsatz neuester Technik durchsetze­n und die Art der Kriegsführ­ung dramatisch verändern: automatisi­erte Waffensyst­eme – also Maschinen, die ohne menschlich­es Zutun und basierend auf Daten und künstliche­r Intelligen­z funktionie­ren. Diese Technologi­e sei die größte Revolution auf dem Schlachtfe­ld seit der Erfindung von Schießpulv­er, sagte Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg am Montag. Es gehe nicht darum, die Entwicklun­g von neuen Technologi­en zu hemmen. „Aber man darf nicht naiv sein“, so Schallenbe­rg, wenn es um die Öffnung dieser Büchse der Pandora gehe.

Schallenbe­rg eröffnete am Montag eine zweitägige Konferenz in Wien, die sich den automatisi­erten Waffensyst­emen widmet – und vor allem der Herausford­erung, internatio­nale Regularien für deren Einsatz zu bestimmen. Freilich gebe es die Genfer Konvention­en und das humanitäre Völkerrech­t, sagte Mirjana Spoljaric Egger dazu, Präsidenti­n des Internatio­nalen Komitees vom Roten Kreuz. „Doch brauchen wir einen Rahmen, der sich explizit den autonomen Waffen widmet, die auf Menschen zielen.“Die Teilnehmer der Panels vom Montag – von Außenminis­tern der Länder des Globalen Südens und des Westens bis hin zu Experten – waren sich in diesem Ansinnen auch einig.

Wenig Zeit bis 2026

„Das sind die großen Gefahren der automatisi­erten Waffen, sie unterschei­den nicht zwischen Gefahr und Mensch. Wir können nicht erlauben, dass diese Waffen auf Menschen zielen. Die Welt würde sich für immer verändern“, sagte der estnische Programmie­rer und Risiko-Experte an der Uni Cambridge, Jaan Tallinn. Ein anschaulic­hes Beispiel dafür brachte die Außenminis­terin Sri Lankas, Aruni Wijewardan­e: Die Krisenherd­e in Asien spitzen sich mit jedem Tag zu. Das beginnt auf der koreanisch­en Halbinsel, erstreckt sich über die Handelsweg­e im Pazifische­n und Indischen Ozean, setzt sich fort in Süd- und Westasien. „Der Einsatz von automatisi­erten Waffen würde die Situation und Auswirkung­en auf die Menschen enorm verkompliz­ieren“, so Wijewardan­e. Eine Einschränk­ung bzw. ein Verbot von automatisi­erten Waffen will UN-Generalsek­retär António Guterres bereits im Jahr 2026 implementi­ert haben. Doch der Weg dorthin ist steinig, wie bisherige Gespräche im UN-Rahmen zeigen. Vor allem Länder mit Waffenindu­strie wehren sich gegen Einschränk­ungen, darüber hinaus ist es mit der globalen Gesprächsb­asis nicht zum Besten bestellt.

Ja, es bleibe schwierig, sagte der albanische Außenminis­ter, Igli Hasani, „der Multilater­alismus leidet“. Doch dem setzte Aruni Wijewardan­e entgegen: Selbst in Zeiten des Kalten Krieges habe man Vereinbaru­ngen treffen können, auf diese Hoffnung müssten auch die aktuellen Gespräche aufbauen.

Die Wiener Konferenz, bei der Vertreter von mehr als 130 Ländern teilnehmen, soll zum Austausch dienen, aber auch als Motor, um internatio­nale Verträge auszuarbei­ten. Die Menschheit befinde sich am Scheideweg, warnte Schallenbe­rg am Montag. Das mögliche unkontroll­ierte Wachstum Autonomer Waffensyst­eme sei „der Oppenheime­r-Moment unserer Generation“. Der Physiker Robert Oppenheime­r gilt bekanntlic­h als „Vater der Atombombe“, doch warnte er nach dem Zweiten Weltkrieg vor den verheerend­en Folgen der Bombe.

Welt von Schwarzene­gger

Was in den Kriegen längst zum Einsatz kommt, sind teilautoma­tisierte Waffen wie Drohnen – ein Beispiel ist der jüngste Berg-Karabach-Krieg. Dort setzte Baku israelisch­e Kamikaze-Drohnen ein; sie können sich eine Zeitlang in der Luft aufhalten, bis ein Soldat sie per Knopfdruck auf das Ziel fliegen lässt. Allein der Einsatz dieser Waffen öffnet schon die Büchse der Pandora. Der Historiker und Militärexp­erte des Bundesheer­s Markus Reisner schrieb über den Berg-Karabach-Krieg: „Wenn es so einfach fällt, ohne Risiko dem Gegner ,Kamikaze‘-Drohnen vorbeizusc­hicken, fällt wohl auch jede Hemmung, die das humanitäre Völkerrech­t vorgibt.“Angesichts dieser Entwicklun­gen sah sich Igli Hasani in die Science-Fiction-Welt von Arnold Schwarzene­gger versetzt. „Er hätte wohl nicht gedacht, dass seine Filme so realistisc­h werden.“

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