Sánchez hält trotz „Schlammmaschine“an seinem Job fest
Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez hat nach fünf Tagen Bedenkzeit klargemacht, dass er im Amt bleiben wird. Die Korruptionsvorwürfe gegen seine Frau seien von der Opposition geschürte Falschmeldungen.
In Spanien hielten am Montagmittag viele Menschen den Atem an. Nach fünf Tagen Bedenkzeit trat der langjährige spanische Regierungschef Pedro Sánchez vor die Mikrofone und kündigte an, dass er seine Drohung vom Rücktritt nicht in die Tat umsetzen werde. „Ich habe beschlossen weiterzumachen”, sagte der international angesehene 52-jährige Sozialdemokrat. Er appellierte aber an die konservative Opposition, die Politik „des Hasses, der Intrigen und der Lügen” gegen ihn und seine 49 Jahre alte Ehefrau Begoña Gómez einzustellen.
Sánchez beklagte in seiner Rede an die Nation, dass er und seine Frau seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren „eine Hetzjagd” der Oppositionsparteien ertragen müssten. Die Opposition, die aus konservativer Volkspartei und der rechtsnationalen Bewegung Vox besteht, hätten mit immer härteren politischen Angriffen eine rote Linie überschritten. Zu dieser Schmutzkampagne gehöre auch eine Strafanzeige wegen mutmaßlicher Korruption gegen seine Partnerin Begoña Gómez, mit der er seit 18 Jahren verheiratet ist und zwei Töchter hat.
Diese Anzeige, auf deren Basis richterliche Ermittlungen anrollten, brachte für Sánchez das Fass zum Überlaufen. Die Anzeige „habe nicht das kleinste Fundament”, sagte Sánchez. Auch die Staatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht, der Ermittlungen begründen könnte, und forderte die Einstellung des Verfahrens. Sánchez: „Begoña wird nicht angeprangert, weil sie etwas Illegales getan hat, sondern weil sie meine Frau ist.”
In der Tat trägt diese Strafanzeige Züge einer Intrige. Die Beschuldigung wurde von der Organisation Manos Limpias (Saubere Hände) erhoben – ohne Beweise vorzulegen. Stattdessen stützen sich die Anschuldigungen auf Berichte oppositionsnaher Medien. In diesen Berichten werden Mutmaßungen geäußert, dass Gómez, eine gelernte Marketingexpertin, ihre Rolle als First Lady ausgenutzt haben könnte, um Unternehmen öffentliche Fördermittel zu verschaffen.
Haltlose Korruptionsanzeige
Manos Limpias ist nicht gerade für politische Sauberkeit bekannt. Die Bewegung ist eine rechtslastige Gruppierung, die öfter ihre Gegner mit Falschanzeigen schikaniert. Inzwischen musste Manos Limpias eingestehen, dass die Anzeige auch im Fall von Sánchez’ Ehefrau grundlos sein könnte: „Es wird der Richter sein, der überprüft, ob die Informationen stimmen.“Ganz nach dem Motto: Erst einmal viel Dreck schleudern, irgendetwas wird dann schon hängen bleiben.
Dank geheimer Audioaufnahmen weiß man heute, dass diese Organisation von den KonserFünf vativen instrumentalisiert wurde, um Sánchez und andere Politiker in die Enge zu treiben. Im Mittelpunkt dieser Tonbandprotokolle steht der frühere Polizeioffizier José Manuel Villarejo, der im Auftrag der konservativen Volkspartei politische Rivalen ausspionierte und Falschmeldungen über sie streute. Sánchez nennt diese Strategie eine „Schlammmaschine“und „Zerstörungsaktion“, mit dem Ziel, „mich politisch zu schwächen“.
Ganz offenbar hinterlässt diese Schlammschlacht beim Regierungschef Spuren. Sogar der eiserne Sánchez scheint seine Achillesferse zu haben – und zwar seine Familie. „Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich zutiefst in meine Frau verliebt bin“, schrieb er in jenem offenen Brief, in dem er vor einigen Tagen mit seinem Rücktritt drohte, um seine Frau und seine Familie vor weiteren „ekelhaften“Attacken zu schützen.
Fünf lange Tage zog sich Pedro Sánchez nach seiner Drohung aus der Öffentlichkeit zurück, um zusammen mit seiner Frau über seine Zukunft nachzudenken. Er sagte alle Termine ab. Ließ ganz Spanien, seine Sozialistische Arbeiterpartei und das Koalitionskabinett aus seinen Sozialdemokraten und der Linkspartei Sumar im Ungewissen darüber, wie es nun weitergeht. Am Wochenende demonstrierten Tausende Anhänger vor Sánchez’ Parteizentrale in Madrid und riefen: „Pedro, gib nicht auf!”
Vergiftetes Klima
Am Montagmittag, nachdem der Premier verkündet hatte, dass er doch nicht das Handtuch werfen werde, brach bei seinen Anhängern Jubel aus. Die konservative Opposition sprach hingegen von einem „plumpen Theater”, wie es etwa Santiago Abascal, der Chef der Rechtspartei Vox, nannte. Der Vorsitzende der konservativen Volkspartei, Alberto Núñez Feijóo, bezeichnete Sánchez’ Appell an die Opposition, zu einer respektvollen Politik zurückzukehren, als „lächerlich”. Sánchez habe eine Flucht nach vorn bevorzugt, statt zurückzutreten.
Es sieht also derzeit nicht danach aus, als ob sich das vergiftete politische Klima in Spanien in nächster Zeit verbessern werde. Sánchez hat im spanischen Parlament derzeit eine absolute Mehrheit hinter sich. Eine Mehrheit, die allerdings auf wackeligen Füssen steht, weil sie von den unberechenbaren katalanischen Separatistenparteien abhängig ist.
Zugeständnisse an Katalonien
In der eigenwilligen, aber wichtigen Region wird am 12. Mai gewählt. Vielleicht wollte Pedro Sánchez mit der überraschenden Rücktrittsdrohung auch seine Wähler in Katalonien mobilisieren. Noch liegen in Katalonien laut Umfragen Sánchez‘ Sozialdemokraten vorn. Sie sind zwar gegen eine Unabhängigkeit der Region, wollen aber Autonomiezugeständnisse machen.
Doch die radikale Unabhängigkeitspartei Junts mit dem früheren Separatistenchef Carles Puigdemont an der Spitze befindet sich im Aufwind. Ein Sieg Puigdemonts und ein Wiederaufleben des Unabhängigkeitskonflikts käme ungelegen. Denn dies würde Sánchez’ Regierung in Madrid weiter schwächen.