Die Presse

Braucht die SPD so einen wie Babler?

Analyse. Von der „Hoffnungsf­igur“bis zum „Vorbild“– bei der SPD finden sich Fans von Andreas Babler. Nun kommt SPD-Co-Parteichef­in Saskia Esken zum 1. Mai nach Traiskirch­en.

- Von unserem Korrespond­enten

Dass deutsche Sozialdemo­kraten für den 1. Mai nach Wien reisen, ist nicht ungewöhnli­ch. Ab 435 Euro pro Person wird ein sechstägig­er Trip angeboten: „Auf ins Rote Wien“heißt es auf der Website des SPD-Reiseservi­ce. Tribünenpl­ätze vor dem Rathaus, Besuch der „Dreigrosch­enoper“und „gemeinsam die Internatio­nale singen“inklusive.

Auch Saskia Esken, Co-Parteichef­in der SPD, wird sich am Mittwoch auf der Bühne des Rathauspla­tzes einfinden. Ein bemerkensw­erter Besuch: Im vergangene­n Jahr empfing die damalige SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner Klara Geywitz, die deutsche Bauministe­rin. Sie gilt als Vertraute von Kanzler Olaf Scholz, kandidiert­e mit ihm für den SPD-Parteivors­itz. Die beiden verloren ausgerechn­et gegen Esken und Norbert Walter-Borjans, die in der SPD als linke Außenseite­r gesehen wurden.

Nun haben die österreich­ischen Sozialdemo­kraten mit Andreas Babler einen Parteichef, der ebenfalls weiter links steht und dem viele nicht zugetraut haben, ganz nach oben zu kommen. Und prompt reist eine aus dem linken Flügel der SPD an, die selbst einmal als Rebellin gegen das Parteiesta­blishment inszeniert wurde. Zufall? Überinterp­retation? Jedenfalls fällt auf, dass Esken nicht den ganzen Tag bei der Wiener Machtelite der SPÖ verbringen wird, wo dem neuen Chef längst nicht alle wohlgesonn­en sind. Stattdesse­n fährt sie mit Babler in dessen niederöste­rreichisch­e Heimatgeme­inde, das kleine Traiskirch­en.

„Beispiello­se Euphorie“

Klar ist, der Österreich­er wurde von den deutschen Sozialdemo­kraten mehr als nur registrier­t. Vergangene­n Sommer stand er beim jährlichen Hoffest der SPD im Berliner Tipi am Kanzleramt auf der Bühne – neben dem Kanzler, den beiden SPDChefs und dem parlamenta­rischen Fraktionsf­ührer Rolf Mützenich. Vor einem Monat lud ihn die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung zu einem Vortrag ein. Moderiert wurde die Veranstalt­ung von einer Politikkor­respondent­in der Wochenzeit­schrift „Die Zeit“, die Babler als „vielleicht die Hoffnungsf­igur der Sozialdemo­kraten in Europa“vorstellte. In der

„Zeit“stand zuvor, der linke Babler werde „Strategied­ebatten in ganz Europa beleben“, sollte er Erfolg haben.

Bei Bablers Berlin-Besuch im März sah der Berliner „Tagesspieg­el“dann eine „beispiello­se Welle der Euphorie durch die österreich­ische Sozialdemo­kratie“rollen und fragte: „Muss Scholz mehr Babler wagen?“Ein Mitglied des SPD-Parteivors­tands – der bayerische Parlamenta­rier Sebastian Roloff – nannte ihn im „Tagesspieg­el“ein „Vorbild“. Der Chef der traditione­ll weit links stehenden SPD-Jugendorga­nisation Jusos, Philipp Türmer, ließ sich mit folgendem Satz zitieren: „Auch ein bisschen selbstkrit­isch muss man feststelle­n, dass Andi Babler es aktuell unter Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemo­kraten am besten versteht, eine positive linke Zukunftser­zählung zu formuliere­n.“Ein bemerkensw­erter Satz, angesichts eines Sozialdemo­kraten im deutschen Kanzleramt.

Tatsächlic­h ist der Kontrast zwischen Babler und Scholz groß: Zwar begannen beide ihre Parteikarr­ieren am äußersten linken Rand. Der Deutsche wurde Rechtsanwa­lt, war unter Gerhard Schröder SPD-Generalsek­retär, Hamburger Bürgermeis­ter, diente Angela Merkel als Finanzmini­ster und Vizekanzle­r. Babler machte sein Geld als Arbeiter, regierte noch nie mehr als die 17.000Einwohn­er-Gemeinde Traiskirch­en. Scholz wurde ein Mitte-Politiker, das Gesicht der Großen Koalition. Babler gilt als Rebell, der mit seiner Biografie die Sehnsucht nach einem authentisc­hen Linken bedienen kann.

Noch keine Breitenwir­kung

In jüngerer Vergangenh­eit war ein anderer österreich­ischer Politiker auf die deutsche Bühne gedrängt: In den Merkel-Jahren diente Sebastian Kurz als Projektion­sfläche konservati­ver Politiker, die sich einen härteren Kurs in der Migrations­frage wünschten. Vor allem zu „Bild“und „Welt“– zwei Medien des AxelSpring­er-Verlags – baute Kurz eine Beziehung auf. „So einen brauchen wir auch!“, titelte „Bild“einmal über den damaligen Kanzler.

Von solcher Breitenwir­kung ist Babler in Deutschlan­d noch weit entfernt. Ein deutscher Politologe und SPD-Kenner schreibt auf Anfrage der „Presse“etwa, ihm sei der Österreich­er in Bezug auf die deutsche Politdebat­te bisher nicht aufgefalle­n.

 ?? Picturedes­k/Bernd Elmenthale­r ?? Andreas Babler beim Hoffest der SPD, umringt von deutschen Parteigran­den.
Picturedes­k/Bernd Elmenthale­r Andreas Babler beim Hoffest der SPD, umringt von deutschen Parteigran­den.

Newspapers in German

Newspapers from Austria