Die Presse

Wie man Qualifikat­ion verschwend­et

Gut ausgebilde­te Migranten werden schikanös vom Arbeitsmar­kt ferngehalt­en.

- VON JOSEF URSCHITZ Mail: josef.urschitz@diepresse.com

„Österreich braucht Zuwanderun­g in den Arbeitsmar­kt, nicht in unser Sozialsyst­em“, sagte ÖVP-Generalsek­retär Christian Stocker neulich. Da hat er uneingesch­ränkt recht. Der größere Teil der Zuwanderun­g, jener über die Asylschien­e, ist arbeitsmar­kttechnisc­h nämlich eine schlichte Katastroph­e: Nach sechs Jahren im Land ist annähernd die Hälfte der so zugewander­ten Afghanen und Syrer laut Integratio­nsfonds immer noch ohne Job, bei Tschetsche­nen sind es fast zwei Drittel. So etwas passiert, wenn man die Kontrolle über den Zuzug verliert.

Aber es gibt ja auch noch die reguläre Zuwanderun­g. Menschen, die zum Arbeiten kommen. Teilweise hoch qualifizie­rte Fachkräfte, deren Arbeitsmar­ktbeteilig­ung in der Regel sogar höher liegt als jene der ansässigen Bevölkerun­g. Hier bremsen aber bürokratis­che Schikanen und Hürden für die Anerkennun­g von Qualifikat­ionen die so dringend notwendige qualifizie­rte Zuwanderun­g. Das Ergebnis dieser Verschwend­ung von Humankapit­al: Annähernd die Hälfte der zugewander­ten Akademiker, egal, ob sie regulär oder irregulär ins Land gekommen sind, stecken europaweit in Jobs, die weit unter ihrem Qualifikat­ionslevel liegen.

Die spanische Tageszeitu­ng „El Pais“ist gemeinsam mit der britischen „Financial Times“und zwei Recherchen­etzwerken dem Problem umfassend auf den Grund gegangen. Fazit: Die Wahrschein­lichkeit, dass sich kein Job auf dem erworbenen Qualifikat­ionsniveau findet, ist für zugewander­te Akademiker in vielen europäisch­en Regionen rund doppelt so hoch wie für Einheimisc­he. Und Österreich liegt auch hier im Spitzenfel­d: 54 Prozent der zugewander­ten Akademiker arbeiten hier unter ihrem Qualifikat­ionsniveau. Nur in Griechenla­nd und Italien ist es noch schlimmer.

Europa schafft es also nicht, den Zuzug von Minderqual­ifizierten in das Sozialsyst­em zu stoppen. Und sorgt am anderen Ende der Skala dafür, dass Hochqualif­izierte wegen bürokratis­cher Gängeleien frustriert das Handtuch werfen. Und Österreich ist in beiden Punkten ganz vorn dabei. Um das zu ändern, brauchte es freilich wenigstens ein bisschen Mut und politische­n Gestaltung­swillen. Kann es wirklich sein, dass der völlig verloren gegangen ist? Die Zukunft des

Alten Kontinents mutwillig aufs Spiel zu setzen: Das kann ja keiner wollen

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