Graz: Österreichs neue Fußballhochburg in einem alten Stadion
Sturm Graz steht vor dem Titel, GAK vor der Bundesliga-Rückkehr – höchste Zeit, dass Stadt, Politik, Wirtschaft und Klubs ihr Kernproblem lösen.
Wer Österreichs Fußballbundesliga jahrelang Monotonie angedichtet hat, wird in dieser Saison eines Besseren belehrt. Sturm Graz steht vor dem Gewinn der Meisterschaft, nach dem 2:2 im direkten Duell gegen Salzburg haben die „Schwoazen“drei Runden vor Schluss drei Punkte Vorsprung. Im Steirer-Derby gegen Hartberg darf nichts anbrennen, Lask und Klagenfurt könnten freilich Hürden sein. Doch wann, wenn nicht jetzt? Nur noch ein Hauch fehlt zum vierten Meistertitel, dem ersten seit 2011.
Salzburg darf sich gegen Rapid, Hartberg und Lask keinen weiteren Ausrutscher mehr leisten. Es ist auffällig, wie sehr diese Mannschaft nach dem Abschied von Trainer Matthias Jaissle und Sportdirektor Christoph Freund ins Wanken geraten ist. Nur Gerhard Struber als „Bauernopfer“für Verlust von Souveränität und Spielkultur vorzuschieben ist billig, wäre allerdings vollkommen falsch. Auch der Blick zum Farmteam nach Liefering, jahrelang überlegen aktuell nur Sechster in der zweiten Liga, offenbart gehörige Einbußen.
m Mittwoch bietet sich in Klagenfurt die erste Chance zur Feier. Sturm trifft im Cupfinale auf Rapid (17 Uhr, live, ORF1), die Neuauflage des Endspiels von 2023 (2:0) weckt Double-Lüste. Dass sich die Hütteldorfer beim 0:5 gegen Lask blamiert haben, kann aber nur ein (schlechtes)
ATäuschungsmanöver gewesen sein. Wobei, Wunsch und Wirklichkeit pflegen im Westen Wiens ja ein eher ambivalentes Verhältnis. Der letzte Cupsieg gelang 1995 (1:0 gegen DSV Leoben), das ist nunmehr 29 Jahre her. Die letzte Meisterfeier? Sie geschah 2008.
Schon am Freitag könnte Graz erneut aufschreien, GAK steht vor der Rückkehr ins Fußballoberhaus. Ein Sieg gegen Admira wäre wohl ausreichend, fünf Runden vor Schluss hat SV Ried als Zweiter elf Punkte Rückstand. Dann wäre in Österreichs neuer, alter Fußballhochburg umgehend Eile mit Weitblick gefragt. Zwei Bundesligisten, ein alterndes Stadion und die plagende Einsicht, dass ohne Modifikation hier keine Champions-League-Abende – Österreich erhält zum letzten Mal für längere Zeit einen Fixplatz –, sondern in Klagenfurt stattfinden werden, verlangen Aufbruch wie Abriss in Österreichs zweitgrößter Stadt. Politik, Wirtschaft, Tourismus etc. wollen doch mitspielen und profitieren, oder nicht?
Die Steiermark stellt den Stamm des österreichischen Fußballs. Mit Sturm, Hartberg und bald GAK in der Bundesliga, mit Leoben, Lafnitz, Kapfenberg und Sturm II in der zweiten Liga. Der Blick auf das Problemthema „Fußballinfrastruktur“lässt schaudern. Da thront man laut Sturms Klubchef Christian Jauk an letzter Stelle unter Österreichs Landeshauptstädten. Womit die visionslose, den Stillstand huldigende, Ausreden duldende Monotonie wieder am Ball wäre.
Rapid und Austria laufen dem Erfolg hinterher, haben aber neue Stadien. Jetzt kann Graz vorlegen.