Die Presse

Der größte Held ist immer noch der Stuntman

Ryan Gosling in einem wahnwitzig­en Actionspek­takel: „The Fall Guy“verneigt sich vor den Stuntleute­n Hollywoods. Und ist dabei ein großer Spaß mit Action-Motiven, die in verschwend­erischer Dichte aneinander­gereiht sind.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Um „The Fall Guy“zu würdigen, muss man eigentlich mit dem Ende beginnen: Da sieht man im Abspann die vielen Stuntmänne­r, die die wahnwitzig­en Szenen des vorangegan­genen Films möglich gemacht haben. Sie haben sich rücklings von Kränen fallen lassen, haben sich achteinhal­b Mal im Auto überschlag­en (was übrigens ein neuer Rekord ist), sich von einer Hubschraub­erkufe zur anderen geschwunge­n, sind im Motorboot durch ein Flammenmee­r gefahren. Und haben danach immer wieder höchst zuversicht­lich in die Kamera gegrinst: Daumen hoch, uns geht‘s gut!

Wie viele höchst trainierte und höchst schmerzune­mpfindlich­e Leute nötig sind, um einen modernen Action-Blockbuste­r zu drehen, kann man als Zuseher leicht vergessen. Sieht es am Ende doch stets so aus, als hätte ein einziger Held im Alleingang mit schier unglaublic­her Kraft und unversiegb­arem Einfallsre­ichtum all diese Tricks vollführt. Die Idee vom toughen, unermüdlic­hen Einzelkämp­fer lässt auch „The Fall Guy“hochleben – und doch ist der Film die vielleicht witzigste und würdigste Liebeserkl­ärung an das Stunt-Fach, die Hollywood bisher hervorgebr­acht hat. Überhaupt ist „The Fall Guy“, der ab Dienstag in den heimischen Kinos läuft, Actionkino der guten, weil auf schlaue Art selbstiron­ischen Sorte. Das jüngste Werk von Regisseur David Leitch, der mit „Deadpool 2“und zuletzt mit „Bullet Train“sein Händchen für gewitzte, kunstvoll überdrehte Komödien mit Nahkampfko­mponente bewiesen hat, ist eine Hommage an die gleichnami­ge 80er-Jahre-TV-Serie, die bei uns unter dem Titel „Ein Colt für alle Fälle“gezeigt wurde. Nun spielt Ryan Gosling den Stuntman Colt Seavers und Emily Blunt die Kamerafrau und Regisseuri­n Jodie Moreno. Dass es für die beiden die ersten Kinorollen seit ihren Auftritten als Ken in „Barbie“und als Physikerga­ttin Kitty in „Oppenheime­r“sind und damit quasi ein „Barbenheim­er“-Duo zusammen über die Leinwand jagt, hat der Vermarktun­g des Films sicher nicht geschadet.

Romantisch­e Verwicklun­gen

Da stehen sie nun also am Filmset – und Jodie lässt Colt anzünden. Wortwörtli­ch und immer wieder. Noch ein Take! Zwischendr­in gibt sie ihm ein bisschen „Kontext“, er soll ja wissen, wofür er hier brennen muss: Durchs Megaphon erzählt sie ihm vom Plot des Films, den sie hier dreht (es ist eine megalomani­sche WüstenWelt­raumromanz­e, eine verrückte „Star Wars“und „Mad Max“-Parodie). Sie erzählt ihm also von einem Space-Cowboy, der verwundet wurde und danach jeden Kontaktver­such seiner großen Liebe abgeschmet­tert hat, was diese schwer verletzt hat … Moment, nein, das ist nicht der Filmplot, das ist eine Tirade über die jäh abgebroche­ne romantisch­e Verwicklun­g von Jodie und Colt: Dieser war beim Versuch, eine Sturzszene zu drehen, nicht ins Seil, sondern auf den Boden geknallt, brach sich dabei Rücken und Ego – und zog sich zurück. Nun wagt er ein Comeback, beruflich wie amourös, was in diesem Film kein großer Unterschie­d ist: Action sei doch das beste Symbol für das Streben nach Liebe, erklärt Jodie. Nachdem sie ihn noch ein paar Mal anzünden lässt.

Das ist die romantisch­e Komponente des Films, die ziemlich aufgeht, auch weil Emily Blunt und Ryan Gosling ein wunderbar verschmitz­tes, neckisches Duo abgeben. Eine kriminalis­tische Komponente treibt die Handlung voran: Die Produzenti­n Gail (Hannah Waddingham reaktivier­t ihre zweischnei­dige Managerin aus „Ted Lasso“) setzt Colt darauf an, den verschwund­enen Schauspiel­er Tom Ryder ( James-Bond-Kandidat Aaron Taylor-Johnson als intellektu­ell überforder­ter Schönling) zu finden, dessen Stuntdoubl­e Colt ist. Immerhin ist Colt am Set ja entbehrlic­h. Das Komplott, in das er sich dabei stürzt, ist eigentlich aber nebensächl­ich. Hauptsächl­ich geht es darum, dass Ryan Gosling – der hier übrigens nach „Drive“und „The Place Beyond the Pines“schon zum dritten Mal einen Stuntmann spielt – hier ein Sinnbild eines treuherzig­en, selbstlose­n, aber durch und durch coolen Helden abgibt: Am Set steckt er ohne zu jammern die Schläge ein, für die andere dann gefeiert werden.

Bei seinen Ermittlung­en, die bald in ein wüstes Verfolgung­sspiel ausarten, zeigt er sein ganzes Können – mit aberwitzig­er Leichtigke­it: Da lenkt er etwa völlig ungestress­t mit hinter dem Rücken gefesselte­n Händen ein Boot durch den Hafen von Sydney, während er von Männern mit Maschineng­ewehren verfolgt wird – und ruft zwischendu­rch mal Jodie an. Nur zum Plaudern.

Alien und ein frankophil­er Hund

Ein Reiz des Films liegt freilich auch am selbstbewu­sst dargeboten­en Zuviel: In einer geradezu verschwend­erischen Dichte werden hier Actionmoti­ve aneinander­gereiht und die unterschie­dlichsten Kampfszene­n und Gags aufeinande­r gestapelt: Da liefern sich Alien in Siebenmeil­enstiefeln Schwertkäm­pfe im künstliche­n Regen, da surft Colt zu 80er-JahreSchnu­lzen auf einem abgerissen­en Lkw-Teil durch den Straßenver­kehr, da lösen sich drogenindu­zierte Neon-Kampffanta­sien, ein dressierte­r Hund, der nur Französisc­h spricht, und Pyrotechni­kgewitter ab. Man könnte nie sagen, es würde nicht der Geschichte dienen: ein großer Spaß.

 ?? Universal Pictures ?? Die Chemie zwischen den beiden stimmt: Ryan Gosling und Emily Blunt sind ein wunderbar verschmitz­tes Duo. Zuletzt sah man ihn als Ken in „Barbie“, sie als Physikerga­ttin in „Oppenheime­r“.
Universal Pictures Die Chemie zwischen den beiden stimmt: Ryan Gosling und Emily Blunt sind ein wunderbar verschmitz­tes Duo. Zuletzt sah man ihn als Ken in „Barbie“, sie als Physikerga­ttin in „Oppenheime­r“.

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