Geigerin Bomsori Kim in Wien
Die gefeierte Südkoreanerin war zum ersten Mal im Konzerthaus zu hören – und entkam nicht ganz den Tücken von Bruchs Violinkonzert.
Mit der Dirigentin Anja Bihlmaier und der weltweit gefeierten Violinvirtuosin Bomsori Kim wartete die jüngste Wiener-Symphoniker-Matinee im Konzerthaus mit zwei Debütantinnen auf. Die ursprünglich als Dirigentin vorgesehene Ha-Na Chang sagte aus privaten Gründen kurzfristig ab, Anja Bihlmaier sprang ein. Sie ist seit 2021 Chefdirigentin des Residentie Orkest Den Haag und war in Wien schon mit Mozart an der Wiener Volksoper zu erleben. Sie übernahm auch gleich das vorgesehene Programm.
Am wenigstens überzeugte sie mit Dvořáks populärer „Aus der neuen Welt“-Symphonie. Hatte man zu wenige Proben gehabt? Zum einen leitete sie die Wiener Symphoniker nicht immer zu jener Präzision an, die man sonst von ihnen gewohnt ist. Zum anderen ließ sich kein rechtes Konzept hinter ihrer Interpretation ausmachen. So impulsiv sich die einstige Schülerin von Dennis Russell Davies in den Stirnsatz stürzte, so wenig Atmosphäre, zuweilen fast Langeweile strahlte das folgende Largo aus. Mehr natürliche tänzerische Attitüde und weniger abgezirkelt wirkende Akzente hätte man sich im Scherzo gewünscht. Zu sehr in seine
Teile zerklüftet wirkte der sich damit kaum zu einem logischen Bogen fügende Finalsatz.
Dynamisch differenzierter, genauer im Zusammenspiel, aber auch mit mehr klanglichem Feingefühl warteten die Symphoniker bei der Begleitung des g-Moll-Violinkonzerts von Max Bruch auf. Ein nicht nur technisch, sondern vor allem stilistisch forderndes Opus, bei dem man innigen Ausdruck nicht mit billiger Sentimentalität verwechseln darf. Ganz schaffte es Bomsori Kim nicht, dieser Gefahr zu entgehen. Dafür hätte es nicht zuletzt im etwas geschmäcklerisch präsentierten Mittelsatz mehr emotionaler Zurückhaltung bedurft. Mit ihrer von höchster Perfektion bestimmten Darstellung erweckte sie den Eindruck, dass ihr an den bravourös bewältigten virtuosen Abschnitten weitaus mehr lag als daran, in die Tiefe der ruhigeren, poetischen Passagen einzutauchen.
Eröffnet wurde der heftig akklamierte doppelte Debütvormittag mit Rossinis überaus effektvoll servierter Ouvertüre zu „Guillaume Tell“. Ihr einleitendes Cellosolo bot dem Solocellisten des Orchesters, Christoph Stradner, reichlich Gelegenheit zu brillieren. Noch dazu auf jenem Instrument, das er sich während der Coronazeit selbst gebaut hatte.