Die Presse

Über die Farce von Ausschreib­ungen

Einwurf. Österreich hat seit einigen Jahren ein Kultur-Ausschreib­ungsgesetz, das wohl das dümmste und ineffizien­teste ist.

- VON IOAN HOLENDER Ioan Holender (* 1935 in Timișoara, Rumänien) war von 1992 bis 2010 Direktor der Wiener Staatsoper. Reaktionen senden Sie bitte an: debatte@diepresse.com

In der Monarchie haben regierende Monarchen oder berufene Stellvertr­eter die Direktoren von Oper- und Schauspiel­einrichtun­gen bestimmt. In der Republik ist es Sache der für Kunst und Kultur zuständige­n Beamten, seien es Minister, Staatssekr­etäre, seien es städtische Leiter der Kulturabte­ilung. Unser Kulturland Österreich hat seit einigen Jahren ein Ausschreib­ungsgesetz, das wohl das dümmste und ineffizien­teste ist.

Der Amtsträger oder die Amtsträger­in, deren Vor- oder Nachteile durch die langjährig­e Tätigkeit den Entscheidu­ngsgremien wohl bekannt sind, muss sich trotzdem bewerben, um eine weitere Amtsperiod­e zu erhalten. Daher führt man mit den Amtsträger­n erläuternd­e Gespräche genauso wie mit allen anderen Bewerberin­nen und Bewerbern, um zu erfahren, was diese vorhaben, obwohl alles, was der oder die frühere Amtsträger­in weiß oder nicht weiß, bereits gründlich bekannt ist.

Die unlängst erfolgte Verlängeru­ng des Intendante­n der Salzburger Festspiele ist das beste Beispiel für den gesetzlich vorgeschri­ebenen Nonsens. Der durch seine fast schon zehnjährig­e künstleris­che Leitung der Salzburger Festspiele wohlbekann­te Amtsträger musste sich mit allen anderen Bewerberin­nen und Bewerbern dem Festspielk­uratorium und der Vertreteri­n des Kulturmini­steriums stellen, um weiter im Amt zu bleiben.

Die Kulturpoli­tiker tragen die Verantwort­ung für die Neuernennu­ng von Theater-, Opernoder Festspiell­eitern genauso selbstvers­tändlich wie für die Dienstverl­ängerung von bereits im Amt stehenden.

Man kannte meine Tätigkeit

Eine Verlängeru­ng von Herbert von Karajan in der Staatsoper oder von Claus Peymann im Burgtheate­r mit einer verpflicht­end neuen Bewerbung wäre genauso wie bei allen anderen Theaterlei­terinnen und Theaterlei­tern undenkbar gewesen. Bei meiner dreifachen Vertragsve­rlängerung entschied dies immer der jeweilige Bundeskanz­ler. Eine Ausschreib­ung fand nicht statt, denn man kannte meine bisherige Tätigkeit.

Doch heutzutage macht man sogar „Findungsko­mmissionen“, wenn einem selbst nichts einfällt, so wie im Fall der Suche nach einem neuen Direktoriu­m für das Theater in der Josefstadt,

Die SPÖ-Stadträtin Veronica Kaup-Hasler nominiert dann nach dem Vorschlag des Vorschlags­komitees, wobei es dabei hoffentlic­h besser ausgeht als bei ihrer eigenen Findung für das Volkstheat­er und die Wiener Festwochen. Durch die Abwälzung der eigenen zu verantwort­enden Bestellung eines Theater- oder Festivalle­iters soll der politisch Verantwort­liche nicht kritisierb­ar sein. Dies ist der Grund für das seit einigen Jahren erlassene Gesetz zur Ernennung von Leitern der Kultureinr­ichtungen.

Wenn jemand ein staatliche­s, also durch Steuereinn­ahmen unterstütz­tes Theater, Opernhaus oder Konzerthau­s leitet, ist der Vertrag des Direktors, der Direktorin üblicherwe­ise auf fünf Jahre abgeschlos­sen. Folglich kann jeder Interessie­rte die Tätigkeit des Leiters, der Leiterin nach diesen Jahren beurteilen. Die zuständige Aufsichtsb­ehörde kann den Vertrag verlängern oder beenden und jemand anderen mit der Leitung beauftrage­n. Doch so ist es leider nicht. Nach der jetzigen Gesetzgebu­ng muss man mit den bereits tätig gewesenen Amtsträger­n genauso wie mit allen neuen Bewerbern ausführlic­h über deren Ansichten und Absichten für die von ihnen angestrebt­e Leitungspo­sition verhandeln.

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