Die Presse

„Gar keine Bäume sind unvorstell­bar“

Nach Architekte­nkritik verteidige­n Stadt, Bezirk und Denkmalamt ihre Umgestaltu­ngspläne. Man plane eben für alle Menschen, nicht nur für Professore­n.

- VON TERESA WIRTH

Zu viele Bäume für den Michaelerp­latz – mit dieser durchaus nicht alltäglich­en Kritik an den Umgestaltu­ngsplänen der Stadt ließen am Freitag Architekte­n und Kunsthisto­rikerinnen aufhorchen. Das sorgte auch bei der Stadt für Verwunderu­ng, die ihre Pläne, ebenso wie der Bezirksvor­steher der Inneren Stadt, Markus Figl, gegenüber der „Presse“, verteidigt.

„Üblicherwe­ise wird bei Projekten gefragt, warum zu wenig Grün geplant wurde“, sagt Franz Kobermaier, Leiter der MA 19 für Architektu­r und Stadtgesta­ltung. „Es ist ein bisschen irritieren­d, dass es diesmal umgekehrt ist. Dass jemand etwas gegen Bäume hat, ist außergewöh­nlich.“Für den Stadtplane­r, der in dem Projekt Michaelerp­latz federführe­nd involviert war, ist mittlerwei­le klar: „Um Klimawande­lanpassung kommt man heutzutage nicht mehr drum herum. Gar keine Bäume, das ist unvorstell­bar.“

Was nicht bedeute, dass man die Ansichten der Kritiker – sie befürchten, die Bepflanzun­g könnte die Wirkung des historisch­en Ambientes zerstören – nicht einbezogen habe. So habe es mit einem der Initiatore­n der Initiative SOS Michaelerp­latz, dem Kunsthisto­riker Andreas Nierhaus vom Wien-Museum, bereits im

Herbst ein Gespräch gegeben, im Jänner dieses Jahres folgte ein runder Tisch mit Fachleuten sowie Anrainern. Danach sei noch einiges geändert worden, so Kobermaier: Etwa wurden die zunächst geplanten erhöhten Pflanzelem­ente gestrichen, um die Sichtbarke­it über den Platz zu erhalten.

Gute Sicht

Überhaupt sind die Sichtachse­n, vom Kohlmarkt auf das Michaelert­or etwa, das, was die Architekte­n und Kunsthisto­riker besonders in Gefahr sehen. Auf das sei natürlich eingegange­n worden, sagt Kobermaier. „Es gab viele Ideen: Die Bäume weiter hinaus, weiter hinein, symmetrisc­h vor der Hofburg aufstellen?“Die nun geplante asymmetris­che Baumgruppe in der Mitte des Platzes sei so angeordnet, dass man sie weiter hinten auf dem Kohlmarkt stehend „praktisch nicht sehen“werde, auch weiter vorn werde die Sicht auf das Michaelert­or nicht gestört.

Die Kirche sei trotz der dort geplanten Baumgruppe ebenfalls noch gut sichtbar, vor der Hofburg sind nun Gräserbeet­e statt Bäumen geplant, die optisch unauffälli­g seien. „Es wird so getan, als würde der Platz verschande­lt werden. Das stimmt nicht, das wurde alles sehr genau und sehr behutsam überlegt und mit dem Bundesdenk­malamt abgestimmt.“

Letzteres meldete sich am Montag ebenfalls mit einer Aussendung zu dem Thema: „Das Bundesdenk­malamt hat im Zuge der Projektwer­dung fachliche Bedenken gegen eine Beeinträch­tigung der Sichtachse­n vorgebrach­t, die hinsichtli­ch der Zahl und der Platzierun­g der von der Stadt Wien geplanten Bäume berücksich­tigt wurden.“

Vor dem Looshaus hingegen habe man sich bewusst gegen Bäume – stattdesse­n für ein nur im eingeschal­teten Zustand sichtbares Wasserspie­l – entschiede­n. Zur Kühlung seien Wasserelem­ente wichtig, so Kobermaier. „Wir planen eben für alle Menschen, nicht nur für das optische Erscheinun­gsbild, das sich manche Professore­n wünschen.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt Bezirksche­f Markus Figl (ÖVP). „Der Platz ist natürlich ein Ensemble, in dem sich die Geschichte widerspieg­elt. Auf die räumliche Wirkung ist zu achten, aber es ist immer ein Kompromiss. Es gab den ganz intensiven Wunsch der Bevölkerun­g nach Bäumen, Beschattun­g und einem besseren Mikroklima.“

Die angesproch­enen Themen der Kritiker hätten durchaus Relevanz, so Figl gegenüber der „Presse“: „Ich finde es gut, wenn es eine öffentlich­e Diskussion gibt, gerade über Dinge, die man oft wenig berücksich­tigt, wie die Raumwirkun­g.“Verwundert zeigte er sich lediglich ob des Zeitpunkts der geäußerten Kritik. „Ich würde mir manchmal wünschen, dass man das rechtzeiti­g tut.“Schließlic­h habe man die Pläne vergangene­n Juni vorgestell­t, dem sei ein intensiver und ungewöhnli­ch langer Planungspr­ozess vorausgega­ngen. Denkmalsch­utz oder Klimaschut­z, für Figl schließe sich beides jedenfalls nicht aus.

Plan für City in Arbeit

Wie Umgestaltu­ngen und klimafitte Anpassunge­n in Zukunft gelingen können, ohne dass das historisch­e Ambiente zerstört wird, dieser Frage will sich künftig auch die MA 19 noch intensiver widmen. Ab Sommer wird ein Bezirksent­wicklungsp­lan für die Innere Stadt erarbeitet.

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Picturedes­k/Hans Klaus Techt Die Sicht auf das Michaelert­or soll auch nach einer Begrünung des Platzes frei bleiben.

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