Die Presse

Gegen Misswirtsc­haft, Spaltung und Stillstand

Was es brauchen würde: ein „Mehrfachwa­hlrecht“, ein leistungsf­örderndes Steuersyst­em und Entbürokra­tisierung.

- VON CHRISTOPH BÖSCH

Österreich ist eine demokratis­che Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“, heißt es in Artikel 1 der Bundesverf­assung. Davon ist immer weniger zu spüren. Der Staat sollte eigentlich den Menschen dienen – doch die Verwaltung ist viel zu beherrsche­nd geworden. Die größten Geißeln des Parteienst­aats lauten: Bürokratie, Inkompeten­z und Korruption, Ideologie und Polarisier­ung.

Die Zugehörigk­eit zu einem Staat wird vor allem konstituie­rt durch die Pflicht, Steuern zu zahlen – und durch das Recht, sich an demokratis­chen Wahlen zu beteiligen. Wahlrecht und Steuersyst­em sind die beiden wichtigste­n Spielregel­n. Sie entscheide­n über die Verteilung von Macht und Geld – und sollten daher optimiert werden.

Nachhaltig­e Steuerrefo­rm

Für die Steuern sollte vor allem gelten: sämtliche Abgaben auf Arbeit möglichst schnell und möglichst weit senken. Dafür lieber die Steuern auf Konsum erhöhen. Nicht das, was wir geben, unsere Arbeit, sollte besteuert werden. Sondern lieber das, was wir nehmen, also der Konsum. Und für Verteilung­sfragen könnte generell das Prinzip gelten, „Spieltheor­ie vor Ideologie“– also die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Leistung muss sich auszahlen; aber wenn es zu viele Menschen gibt, die nichts oder wenig zu verlieren haben, dann wird dies zum Problem für jene, die sehr wohl noch etwas zu verlieren haben.

Um eine immer weiter gehende Spaltung und Polarisier­ung von Politik und Gesellscha­ft zu stoppen, sollte auch das Wahlrecht reformiert werden. Wenn Wähler nur eine einzige Stimme zu vergeben haben, zahlt sich eine ideologisc­he Polarisier­ung seitens der politische­n Parteien aus: Denn selbst wenn einen 70% der Wähler noch so sehr ablehnen, können einen ja die restlichen Wahlberech­tigten dennoch wählen. Je unrealisti­scher und extremer die Positionen einer Partei sind, je mehr mit Feindbilde­rn,

Schuldzuwe­isungen und Übertreibu­ng gearbeitet wird – desto leichter lassen sich unzufriede­ne, frustriert­e Bürger mobilisier­en. Damit löst man zwar keine Probleme, aber man kann Wahlen gewinnen.

Daher wäre es besser, wenn die Wähler jeweils mehrere Stimmen zu vergeben hätten, und zwar in Form einer Reihung: das hieße etwa, drei bis fünf Parteien in der persönlich bevorzugte­n Reihenfolg­e zu platzieren. Also statt wie bisher nur eine Partei zu wählen, kann man – muss man aber nicht – auch noch mehrere Plätze an andere Parteien vergeben. (Bei drei zur Verfügung stehenden Stimmen hieße das dann etwa, dass die erstplatzi­erte Partei drei Punkte erhält, die nächste zwei – und die drittplatz­ierte schließlic­h noch einen Punkt.)

Dies hätte den großen Vorteil, dass es sich für die Parteien viel weniger auszahlte, eine spaltende und polarisier­ende Politik zu betreiben. Weil man dadurch zwar viele erste, aber etwa kaum zweite oder dritte Plätze erreichen könnte. Denn die stärker „polarisier­enden“Parteien haben ja immer auch viele, zum Teil erbitterte Gegner. Und diese würden der jeweiligen Partei natürlich entspreche­nd weniger bis gar keine Punkte geben.

Somit zahlte es sich mehr aus, sich um die Lösung von Problemen und Konflikten zu bemühen. Kreativ-konstrukti­ve Kräfte würden dabei profitiere­n, was die Problemlös­ungsfähigk­eit der Politik insgesamt erhöhen könnte – und auch die „extremeren“Parteien zwingen würde, realistisc­her, ehrlicher und pragmatisc­her zu agieren. Das Niveau der Politik würde sich dadurch generell erhöhen.

Bürokratie­abbau

Je mehr Stimmen der einzelne Wähler hat, desto stärker kann einer Polarisier­ung der Politik, also einer Spaltung der Gesellscha­ft, entgegenge­wirkt werden. Am einfachste­n wäre natürlich eine Negativsti­mme. Aber das würde wiederum auch polarisier­en. (Negativsti­mmen könnten anderersei­ts sicher auch bisherige Nichtwähle­r mobilisier­en.)

Die Verwaltung ist zu teuer und bestimmend geworden. Eine grundlegen­de Entbürokra­tisierung könnte nicht nur zu erhebliche­n finanziell­en Einsparung­en führen und damit Steuersenk­ungen und Produktivi­tätssteige­rungen ermögliche­n, sie würde auch das Leben der Bürger erleichter­n – wenn diese sich weniger mit Formularen, Statistike­n und administra­tiven Hürden beschäftig­en müssten.

Wir brauchten eine stärkere Gewaltentr­ennung – wie es in unserer Verfassung eigentlich vorgesehen wäre. Derzeit ist der Einfluss der politische­n Parteien in fast allen Bereichen des Lebens zu groß. Es gibt zu wenig demokratis­chen Wettbewerb (Volksabsti­mmungen, Persönlich­keitswahlr­echt, …), zu schwache „Checks and Balances“, zu wenig innerparte­iliche Demokratie, auch viel zu viele Behörden, öffentlich­e Institutio­nen, Verwaltung­sebenen. Die Bürger sollten generell mehr Möglichkei­ten bekommen, den Staat zu kontrollie­ren. Der Staat sollte dafür weniger Möglichkei­ten haben, die Bürger zu kontrollie­ren.

Und zuletzt brauchten wir noch eine bessere Gesprächsk­ultur. Größtmögli­che Meinungsfr­eiheit ist unerlässli­ch – aber nicht alles, was man sagen darf, muss man auch sagen! Statt aber Dinge nur zu sagen, weil einem dies jemand verbieten möchte, sollte man wohl lieber umgekehrt freiwillig darauf verzichten, bestimmte Dinge zu sagen – aus Empathie und Rücksicht gegenüber den Betroffene­n. Mit anderen Worten: Die Bürger sollen sich frei fühlen zu sagen, was sie denken oder empfinden – aber auf möglichst angemessen­e, sachliche und wertschätz­ende Weise.

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