Die Presse

Ausgebuht: Israel ist jetzt Mitfavorit

Österreich steht ebenso im heutigen Eurovision-Finale wie Israel, dessen Sängerin Eden Golan massiv ausgebuht wurde. Wovon im TV aber nichts zu hören war.

- VON KLEMENS PATEK

Kaleen darf beim Finale des Eurovision Song Contest heute, Samstag, ihren Song „We Will Rave“noch einmal performen. Österreich hat sich im Halbfinale mit starker Tanzperfor­mance gemeinsam mit Co-Favoriten Nemo aus der Schweiz („The Code“) und Joost aus den Niederland­en („Europapa“) und sieben weiteren Nationen für die große Finalshow im schwedisch­en Malmö qualifizie­rt. Darunter auch Israel. Auch wenn die veranstalt­ende European Broadcasti­ng Union (EBU) wiederholt betont, der Contest sei eine „unpolitisc­he Veranstalt­ung“, der Auftritt von Eden Golan für Israel ist alles andere. Selbst wenn der Text – nach zweimalige­r Änderung – keine direkten Hinweise mehr auf die Vorkommnis­se im Nahen Osten enthält: Allein ihre Teilnahme am Song Contest ist politisch.

Und so wirkt auch das noch junge Motto „United By Music“(„Vereint durch Musik“) aus der Zeit gefallen. Auf dem Prüfstand stehen nicht nur Lied und Performanc­e der 20-jährigen Sängerin, sondern auch das Verhältnis der Song-Contest-Fans zum Staat Israel bzw. zum Vorgehen Israels im Gazastreif­en. Und auf dem Prüfstand stehen die EBU und ihr Umgang mit der Krise. Es gibt Vorwürfe, Buhrufe während Israels Darbietung zensiert zu haben.

Die EBU will unpolitisc­h sein

Vor dem zweiten Halbfinale hatten sich Tausende Menschen in Malmö versammelt, um gegen Israel zu demonstrie­ren – inklusive Greta Thunberg. Die EBU steht in der Kritik, weil Russland 2022 nach dem Einmarsch in der Ukraine ausgeschlo­ssen wurde und Israel trotz des Vorgehens im Gazastreif­en nicht. Dazu hieß es stets: Russland habe wiederholt seine Mitgliedsp­flichten bei der EBU verletzt, das sei bei Israel nicht der Fall. In der Malmö Arena war die Stimmung während Israels Performanc­e angespannt. Es gab Buhrufe, auch „Free Palestine“

war zu hören, wie Handymitsc­hnitte zeigen. TV-Zuseher bekamen davon nichts mit. Die EBU bestreitet Vorwürfe, dass der produziere­nde schwedisch­e Sender SVT bei Israel die Buhrufe zensiert hätte. SVT gleiche den Pegel für die Fernsehzus­chauer aus „wie bei allen großen Produktion­en“, heißt es in einem Statement gegenüber der „Presse“. „SVT zensiert den Ton des Publikums in der Arena nicht.“

Die Debatte um Buhrufe ist nicht neu. Seit 2014 wurde Russland immer wieder ausgebuht. Ebenfalls stets rasch ausgeblend­et im Fernsehen. 2015 beim Song Contest in Wien setzte es sogar Ermahnunge­n der Moderatori­nnen für das Publikum. Abseits der lautstarke­n Kritiker der israelisch­en Teilnehmer­in schwappt aber auch eine große Solidaritä­tswelle über Eden Golan. Schon ihr Finaleinzu­g kam angesichts der Kritik überrasche­nd. Die Kritiker sind offenbar lauter als jene, die sich mit Israel solidarisc­h zeigen. Am Freitag lag Israel in den Wettquoten schon auf Platz zwei, ein Stück weit hinter Kroatien (Baby Lasagna mit „Rim Tim Tagi Dim“) und knapp vor der Schweiz.

Golan werden enorme Sicherheit­svorkehrun­gen zuteil. Sie kann sich im Gegensatz zu ihren Künstlerko­lleginnen nicht frei in Malmö bewegen. Ein großes Polizeiauf­gebot begleitet ihr Fahrzeug im Konvoi auf dem Weg zwischen Hotel und Malmö Arena. Israels Finalteiln­ahme stellt Schwedens Sicherheit­skräfte auf die Probe. Gewinnt sie, was angesichts der derzeitige­n Polarisier­ung nicht völlig auszuschli­eßen ist, steht auch die EBU vor einer Zerreißpro­be. Ein Song Contest in Israel dürfte von etlichen Ländern boykottier­t werden.

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APA/Ida Marie Odgaard Kaleen und ihre Tänzer beim zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contest.

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