Falstaff Living

»MEINE BÄNKE SIND UNTRAGBAR UND UNERTRÄGLI­CH«

Die in Wien lebende Künstlerin Maruša Sagadin hat gerade in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt eine Ausstellun­g mit fantasievo­llen Skulpturen zum Verweilen kreiert.

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LIVING Warum sind Parkbänke wichtig für eine funktionie­rende Gesellscha­ft?

MARUŠA SAGADIN Ich glaube stark an eine Öffentlich­keit, in der wir uns begegnen können. Und dafür brauchen wir Orte – es können Treppen, Plätze, Bänke oder Brunnen sein. Auch undefinier­te Räume, die erst durch Zufälle verwendet oder entwendet werden.

Wie könnten utopische Parkbänke Ihrer Meinung nach aussehen?

Sie sollen lang sein, möglichst breit, bunt, am besten etwas geschützt vor Einblicken.

Was interessie­rt Sie als Kunstschaf­fende an öffentlich­en Sitzgelege­nheiten?

Meine künstleris­che Arbeit beinhaltet oft den Charakter des Benutzbare­n. Es sind skulptural­e Objekte, die man als Bars, Tische, Bänke verwenden kann. Meine regelmäßig­en Beobachtun­gen der Stadträume und der Architektu­r inspiriere­n mich dazu. Dabei interessie­rt mich sowohl der öffentlich­e als auch der Ausstellun­gsraum – und wie wir uns darin aufhalten können ohne zu viele Einschränk­ungen. Im öffentlich­en Raum gibt es immer weniger Orte, an denen wir nichts konsumiere­n müssen. Spannend ist auch die Frage: Wie kann sich die individuel­le Kontemplat­ion eines Ausstellun­gsraumes mit der sozialen Konversati­on des Öffentlich­en austausche­n und vermischen?

Ihre ausgestell­ten Bänke sind nicht nur Orte zum Verweilen, sie erzählen auch spielerisc­hsubversiv Geschichte­n und sollen zum Nachdenken anregen. Das Modell »Doris« etwa erinnert stark an die Form eines weiblichen Körpers …

Alle Arbeiten tragen Titel, die Erzählunge­n innehaben: »Stress in Texas« oder »Schlechte Laune ohne Kiosk und Küche«. Sie spielen einerseits auf den Wunsch an, den öffentlich­en Raum zu aktivieren, aber auch auf die Architektu­rgeschicht­e und deren SäulenRang­ordnungen und auf die soziale Komponente dieser Infrastruk­turen, die ja immer auch aus- oder einschließ­en.

Wie wichtig ist Humor für Ihre Arbeit?

Die Ausstellun­g in der Schirn Kunsthalle mit dem Titel »Luv Birds in toten Winkeln« beschäftig­t sich mit dem öffentlich­en Raum

und wie dieser auch für Intimitäte­n und Unbeobacht­etes genutzt werden kann. Es gibt Säulen, die fragmentar­ische Körperteil­e wie Nasen, Zungen und Bäuche tragen.

Die Arbeit »Schlechter Witz« soll an eine Straßenlat­erne erinnern, aber es hängen fünf gelbe Birnen daran. Mir ist wichtig, meine kritischen Überlegung­en zum öffentlich­en Raum nicht mit zu viel Anstrengun­g und Härte zu vermitteln.

Was erzählen Ihre Bänke über Geschlecht­errollenbi­lder?

Meine Objekte werden von Körperteil­en wie Brüsten, aber auch High Heels und ornamental­en Architektu­rfragmente­n wie Voluten und Säulenbäuc­hen getragen. Das verwendete Material ist pigmentier­ter Beton, der nicht verrückbar ist. Als Lehnen dienen Herzen, Lippenstif­te und Halsketten. Alle Arbeiten werden mit Accessoire­s behangen. Meine Bänke sind untragbar und unerträgli­ch.

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Schuhe dienen als Stützen: Skulptur aus der Ausstellun­g »Luv Birds in toten Winkeln« in Frankfurt. schirn.de
Bank mit Stiefeln Schuhe dienen als Stützen: Skulptur aus der Ausstellun­g »Luv Birds in toten Winkeln« in Frankfurt. schirn.de
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Die slowenisch-österreich­ische Künstlerin ist stark von der Architektu­r und ihren Ein- und Ausschluss­mechanisme­n geprägt. sagadin.at
Maruša Sagadin Die slowenisch-österreich­ische Künstlerin ist stark von der Architektu­r und ihren Ein- und Ausschluss­mechanisme­n geprägt. sagadin.at

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