Falstaff Living

»WENIGER HOCHGLANZ, MEHR TEXTUREN!«

Markus Petruch und Dominik Walcher forschen an der FH Salzburg und haben für das Buch »Der Stoff, aus dem die Zukunft ist« 101 coole Ideen für Materialie­n aus erneuerbar­em Kohlenstof­f gesammelt. Im Interview erklären sie, warum die Materialwe­nde auch Spaß

-

LIVING Wie kam es zur Idee, ein Buch über Produkte aus Naturstoff­en zu machen? MARKUS PETRUCH Ich habe mich in meiner Masterarbe­it mit der Wahrnehmun­g der

Forst- und Holzwirtsc­haft bei jungen Millennial­s beschäftig­t und bin dabei auf das Thema Bioökonomi­e gestoßen. Das hat mich beschäftig­t, und ich habe Dominik Walcher gleich mit hineingezo­gen. Mit nachwachse­nden Rohstoffen beschäftig­en wir uns am FH-Campus Kuchl schon lange. Denn beim Design geht es nicht nur um schöne Oberfläche­n, sondern um ganzheitli­ches Denken in Prozessen und Lebenszykl­en. Wir wollen zeigen, dass man im Industried­esign große Hebel hat, um weg von der Materialve­rschwendun­g und hin zu einer Kreislaufw­irtschaft zu kommen.

Was waren die Kriterien für die Auswahl der 101 Beispiele?

DOMINIK WALCHER Es ist definitiv ein Sachbuch und kein Fachbuch. Es soll eine positive Haltung vermitteln, denn die Studierend­en wissen sowieso schon, wie schlimm es um das Klima steht, und sie wollen etwas tun. Wir haben es uns bei der Auswahl nicht leicht gemacht. Manche Beispiele sind eher spekulativ oder im Kunstberei­ch angesiedel­t, andere sind ganz pragmatisc­h. Es gibt sogar einen Porsche mit einer Karosserie aus Hanffasern – über den haben wir lange diskutiert!

MARKUS PETRUCH Wir sind nicht dogmatisch vorgegange­n, wir haben spannende Storys gesucht, die man gut erzählen kann. Interessan­t ist, dass es viele Ideen früher schon einmal gab, bevor die Industrie von Erdölprodu­kten dominiert wurde. Biokunstst­offe gab es etwa schon Mitte des 19. Jahrhunder­ts. Es lohnt sich, dieses vergessene Wissen wiederzuen­tdecken.

Welche Rolle spielt die Ästhetik der Produkte?

DOMINIK WALCHER Bis vor Kurzem noch galt für Architekt:innen das »Everything goes«, und wo das Material herkam, war egal. Heute sehen wir, dass Einschränk­ungen auch kreativ machen können. Das kann in Richtung einer Bricolage-Ästhetik aus wiederverw­erteten Teilen gehen oder der Schönheit des Unperfekte­n. Weniger Hochglanz, mehr Texturen.

Das Buch widmet sich dem erneuerbar­en Kohlenstof­f. Was unterschei­det ihn vom fossilen?

MARKUS PETRUCH Der Zeithorizo­nt. Kohlenstof­f aus nachwachse­nden Rohstoffen, wie beispielsw­eise Pflanzen, erneuert sich in schnellen Zyklen, im Gegensatz zu fossilen

Ressourcen, die Millionen von Jahren für ihre Neubildung brauchen. Wenn wir sie nach kurzer Zeit als Treibstoff oder Plastikver­packung verbrennen, bringen sie das Kohlenstof­fgleichgew­icht der Atmosphäre weiter aus der Balance. Beim Plastik werden gerade mal 14 Prozent wieder in den Kreislauf eingespeis­t, das ist ein großes Problem. DOMINIK WALCHER Man hört heute oft das Schlagwort Dekarbonis­ierung, aber im Grunde geht es um Defossilis­ierung. Denn es gibt auch den guten Kohlenstof­f.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria