GASTHAUS NÄHRER
Rassing, Niederösterreich
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Wie es am Land um Öffis bestellt ist, kann man in Rassing nahe St. Pölten ergründen. Zum Mittagessen könnte man per Bus anreisen, weg käme man aber erst am Folgetag im Morgengrauen. Somit bleibt das Auto, um Michael »Mike« Nährers neue Wirkungsstätte anzusteuern. Nach Stationen wie »Landhaus Bacher« oder »Taubenkobel« übernahm er vor 15 Jahren das Elternhaus und modifizierte es zum Hybrid zwischen Gasthaus und Fine Dining. Dann erreichte der verwinkelte Altbau sein natürliches Ende, ein Neubau erschien sinnvoller, als weiterzuwurschteln. Nun steht im 150-Einwohner-nest ein hallenartiger Kobel aus Glas und Holz, den Nährer vom Galadinner bis zum Rockkonzert bespielen kann. Küche und Service sind dabei, sich im neuen und teuren Riesending einzutakten. Vom unvermeidbaren Putenale schnitzel bis zum Siebengängemenü ist alles möglich. Gebeizter Traisentaler Saibling mit Kurkumacreme und Wildreis oder Chicoréebergamotte-salat mit Buchweizen und Mandelschaum sind schöne Teller mit feiner, leichter Küche. So richtig Verve kommt auf beim Wels auf Semmelkren mit Roten
Rüben – außergewöhnlich guter Fisch, sinnliche Kombi. Für Connaisseurs obligatorisch: Kalbskopf, gebacken, oder Rieslingbeuschel von Reh, Hirsch und Wildschwein – eine Herrlichkeit. Unter den offenen Weinen fällt das Kapitel »vergessene Gärten« auf, seit fünf Jahren widmet sich Nährer ungenutzen Rebflächen der Region und produziert Naturweine, die auf Namen wie »cliton« oder »bilithi« hören. Auf der Weinkarte stößt man auf gereiftes von Traisental bis Südafrika. Mutiges Rieseninvestment in kulinarisch minderversorgter Ecke.