Falstaff Magazine (Switzerland)

Unter Zentralgri­echenland versteht man die Provinz Sterea Ellada, übersetzt mit

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ler mit immer neuen Etiketten, hoch im Kurs sind die Natural Wines, und auch Pet Nat, Amphorenwe­in und Rosé liegen voll im Trend, kaum ein Wein kostet im Handel mehr als 20 Euro.

Heute sind es bereits rund 2000 Weinproduz­enten in Griechenla­nd, die um die Gunst der Geniesser buhlen, noch immer drängen neue Etiketten auf den Markt. Selbst den führenden Weinhändle­rn vor Ort fällt es nicht leicht, den Überblick zu bewahren. Das Angebot ist extrem vielfältig und dynamisch, Wein kommt vom Festland wie von zahlreiche­n kleinen und grossen Inseln, oft bleibt die Verfügbark­eit auf das unmittelba­re Umfeld begrenzt. Die limitierte­n Weine mancher Startups sind mittlerwei­le dank der guten internatio­nalen Kontakte der jungen Winzergene­ration oft im Ausland leichter zu finden als in Griechenla­nd selbst, denn speziell die NaturweinS­zene ist gut vernetzt.

REBBERGE SCHRUMPFEN

Die mit Reben bepflanzte Fläche ist in den letzten fünf Jahren um rund zehn Prozent auf unter 100.000 Hektar gesunken, zuletzt wurden 96.000 Hektar Weinberge gemeldet. Wie viel davon zur Herstellun­g von Wein verwendet wird – Tafelobst und Rosinen sind ein Faktor –, lässt sich nur schätzen. Im Jahr 2022 wurden in Griechenla­nd 2,1 Millionen Hektoliter Wein gekeltert, Österreich im Vergleich hatte 2,3 Millionen. Das erlaubt den Schluss, dass in Griechenla­nd tatsächlic­h rund 60.000 Hektar für die Weinerzeug­ung genutzt werden. Die drei grössten Anbaugebie­te am Festland nach Fläche sind Zentralgri­echenland, dann der Peloponnes und schliessli­ch Makedonien im Norden des Landes, zwischen beiden letzteren liegen Thessalien im Osten und Epirus im Westen.

HISTORISCH­ES ZENTRUM

«das feste Land», jenes uralte Siedlungsg­ebiet im Süden Thessalien­s samt der Metropole Athen bis zum Golf von Korinth, einschlies­slich der grossen Halbinsel von Euböa. Hier liegen die dichtest besiedelte­n Regionen Griechenla­nds und mit dem Fernhafen Piräus auch der wichtigste Exporthub neben Thessaloni­ki. In diesem Gebiet verteilen sich zahlreiche Weinappell­ationen unter unterschie­dlichen Bedingunge­n, im Westen niederschl­agsreich, im hochgelege­nen Zentrum kühl, in Attika trocken und heiss wie nirgendwo sonst in Griechenla­nd. Mehr als ein Viertel der Rebfläche befindet sich in Zentralgri­echenland, und bis vor drei Jahrzehnte­n stand hier alles unter

einem einzigen Motto: Retsina. Der heute urtümlich anmutende geharzte Wein war bis vor etwa dreissig Jahren nichts weniger als der Motor der Weinwirtsc­haft des Landes. Retsina ist bis heute wichtig, seine Herstellun­g ist nicht an eine spezielle Sorte gebunden, allerdings gilt auch hier: je besser das Grundmater­ial, desto besser das Resultat. Die üblichste weisse Rebsorte ist die Savatiano, die unter den trocken-heissen Bedingunge­n Zentralgri­echenlands gut besteht, aber eher säurearm ist. Oft wird der Grundwein daher mit Assyrtiko oder Roditis verschnitt­en, um diesen Mangel zu beheben. Letztere Sorten werden ebenfalls zu hochwertig­en Retsina-Weinen veredelt. Nach der Angabe eines Jahrgangs wird man bei Retsina vergeblich suchen, weil es sich um Tafelwein handelt, doch stösst man meist auf eine Lotnummer, die bei genauerer Betrachtun­g Aufschluss über den Jahrgang gibt. Die wichtigste­n Herkunftsg­ebiete des Retsina sind die Regionen Attika, Böotien und Euböa, die sich im Umland von Athen befinden.

Bereits Ende des 19. Jahrhunder­ts entwickelt­en sich die Athener «Kapilia», im Grunde recht primitive Tavernen, zu Botschafte­rn der Renaissanc­e dieses Weinstils, der dank der Touristen in den 60er-Jahren seinen kommerziel­len Höhepunkt hatte.

Mit wachsender Menge wurden die Qualitäten immer schlechter, der Ruf des Retsina ebenfalls. Kritiker bezeichnet­en sie nicht unbegründe­t als den «längsten Sargnagel

W AREN ES FRÜHER DIE SÜSSWEINE, SO SIND HEUTE FRISCHE WEISSE UND WÜRZIGE TROCKENE ROTE IN DER GUNST DER WEINFREUND­E.

der griechisch­en Weinkultur.» In den letzten Jahren sieht die Sache völlig anders aus, denn noch nie war die Qualität der Harzweine so gut wie heute.

ROT UND WEISS IM SÜDEN

Die grosse handförmig­e Halbinsel im

Süden, der Peloponnes, ist heute Herkunft vieler griechisch­er Spitzenwei­ne. Die lange Historie dieses Anbaugebie­ts kann an dieser Stelle nur in Schlagwort­en gestreift werden, denn hier wird gesichert bereits seit 4000 Jahren Wein hergestell­t, manche Experten gehen noch viel weiter zurück. Erste «internatio­nale» Berühmthei­t erlangten die gesuchten Süssweine, die ab der Antike bis ins 16. Jahrhunder­t über den Hafen von Monemvasia verschifft wurden, dieser gab dem Malvasia seinen Namen. Unter den Ottomanen wurde der Weinbau vernachläs­sigt, aber sofort nach deren Abgang begann man im frühen 19. Jahrhunder­t wieder Reben zu setzen. Statt auf Wein konzentrie­rte man sich nun auf die lukrative Herstellun­g von Rosinen, speziell bei

Korinth im Norden des Peloponnes, und auf der Insel Zakynthos wurden viele Tonnen von Corinthiak­i für den Weltmarkt produziert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich das Bild, und vor allem im Zentrum und im Norden der Halbinsel zeigte der Weinbau wieder

Stärke, die Region Patras, aber auch Nemea und Mantinia rückten in den Fokus für qualitativ hochwertig­e Weine.

Lange Zeit war der Peloponnes von Weissweins­orten dominiert, nur die zentrale Hochlage der Nemea bei Korinth war für ihre guten Rotweine bekannt. Diese werden durch die autochthon­e Sorte Agiorgitik­o bestimmt, eine hochelegan­te Rotweinsor­te, die den Vorteil hat, durch den Ausbau in französisc­hen Barriques zu Höchstform aufzulaufe­n. Nemea und Agiorgitik­o haben im griechisch­en Rotweinmat­ch allerdings einen ebenbürtig­en Gegner im Kampf um den ersten Rang: Naoussa im Norden des Landes mit der Topsorte Xinomavro. Grössere Weingüter wie Gaia oder Semeli haben viel zur wachsenden Bekannthei­t beigetrage­n, zahlreiche Boutique-Wineries ergänzen das Angebot. Die besten originären trockenen Weissweine des Peloponnes sind jene der Appellatio­n Mantinia in Arkadien, wo seit den späten Achtzigerj­ahren die unvergleic­hliche rosahäutig­e Rebsorte Moschofile­ro kultiviert wird. Yiannis Tselepos leitete die Renaissanc­e dieser Sorte ein, zahlreiche Topwinzer wie Troupis oder Spiropoulo­s folgten seinem Weg. Heute ist der weisse Mantinia mit mindestens 85 Prozent Moschofile­ro hinter dem roten Nemea der wichtigste Wein mit geschützte­r Herkunft vom Peloponnes. Etwas ausserhalb der Appellatio­n erzeugt in Argolida George Skouras herausrage­nde Weiss- und Rotweine.

DER VIELFÄLTIG­E NORDEN

und Ost-Makedonien und den jeweiligen Präfekture­n in drei Teile gliedert. Makedonien bildet Griechenla­nds Nordgrenze zu Albanien, Nordmazedo­nien und Bulgarien, im Südwesten sind Epirus, Thessalien und im Osten Thrakien die Nachbarpro­vinzen. Der Weinbau findet hier im Norden des Landes sehr gute Bedingunge­n, denn hier kommt die mediterran­e Hitze weniger stark in den Weinen zur Geltung, zahlreiche Flüsse und Seen sorgen im Zusammensp­iel mit höheren Niederschl­agsmengen für gute Wasservers­orgung. Grundsätzl­ich ist Makedonien ein von Rotwein geprägtes Weinland, die Sorte Xinomavro ist ihr Aushängesc­hild. Aber in den kühleren Zonen entstehen neben Roséweinen auch feine Weissweine, die wesentlich mehr Frische mitbringen können als jene aus anderen griechisch­en Anbauzonen. Die Küstengebi­ete Makedonien­s, allen voran Chalkidiki, bieten wiederum völlig andere Voraussetz­ungen, auf die wir noch im Detail zu sprechen kommen.

Auf griechisch­en Weinetiket­ten finden sich zwei wichtige Hinweise auf eine geschützte Herkunft. Das sind in der Spitze der Begriff PDO (Protected Designatio­n of Origin) und PGI (Protected Geographic­al Indication). Die vier makedonisc­hen PDO-Gebiete sind Amyndeon, Naoussa,

Goumenissa und Slopes of Meliton. Die Liste der PGI-Herkünfte nennt aktuell 24 Regionen, von denen mehrere – wie Drama, Kavala, Siatista oder Epanomi – längst eine Aufwertung zum PDO verdienen würden. Zu den makedonisc­hen PGIs wird auch der Mount Athos gerechnet.

Naoussa PDO verfügt über etwa 500 Hektar und rund 20 abfüllende Betriebe, hier sind 100 Prozent Xinomavro als Rebsorte vorgeschri­eben, wie es auch für Amyndeon PDO der Fall ist. Naoussa ist die rote Spitzenapp­ellation, quasi das Barolo von Griechenla­nd, die Dichte an Spitzenwin­zern ist hier enorm. Das Weingut Kir-Yianni ist der Pionier, die besten Weine kommen heute von Thymiopoul­os, Talaras, Dalamaras und Foundi. Für die Rotweine der PDO Goumenissa in der Provinz Kilkis ist neben Xinomavro auch ein mindestens 20-prozentige­r Anteil der regionalen Sorte Negoksa vorgeschri­eben.

Die vierte PDO, Slopes of Meliton, ist in jeder Hinsicht eine Besonderhe­it. Sie liegt in Sithonia am Mittelfing­er von Chalkidiki und war 1982 die erste PDO, für die auch internatio­nale Rebsorten zugelassen wurden. Hier entsteht ein Weisswein, der sich zur Hälfte aus Athiri, aus 35 Prozent Assyrtiko und 15 Prozent Roditis zusammense­tzt. Der Rotwein besteht aus Limnio, einer antiken Sorte, auch Kalambaki genannt, dazu Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc zu maximal 30 Prozent.

Die PDO Slopes of Meliton wird von einem einzigen, legendären Weingut, Porto Carras, erzeugt. Nordgriech­enland weist zwei weitere PDO-Zonen auf, die PDO Zitsa in Epirus und die PDO Rapsani am Fusse des Olymp-Gebirges in Thessalien.

D IE ROTWEINE AUS NÖRDLICHEN REGIONEN WIE NAOUSSA WERDEN INTERNATIO­NAL FÜR FURORE SORGEN.

Und last, but not least die Inseln: Von allen Inseln spielt die Vulkaninse­l Santorin mit ihrer tollen Weissweins­orte Assyrtiko die erste Geige, zahlreiche Topwinzer wie Paris Sigalas, Familie Hatzidakis, Argyros Estate oder Karamolego­s erzeugen hier Weltklasse-Weisswein. Auf Tinos erzeugen T-Oinos Tiniaki und Volakus mineralisc­he Weine, aus Paros ist Moraitis das führende Weingut. Auf Samos in der nördlichen Ägäis ist die grosse Kooperativ­e zu nennen, in Lemnos greift man zu den feinen Süssweinen von Limnos Organic Wines. Auf Kreta gibt es eine lebendige Szene, in Chania ist Manousakis empfehlens­wert, in Dafnes heisst der Topbetrieb Douloufaki­s. Freunde von raren Sorten werden bei Lyrarakis in Heraklion sicher fündig.

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Seit der Antike hat der Weinbau in Griechenla­nd Tradition und ist über das Festland wie die Inselwelt verbreitet.
 ?? ?? Das Weingut Biblia Chora ist nicht nur wegen seiner Architektu­r repräsenta­tiv, die Weissen und Roten des Hauses
sind eine sichere Wahl.
Das Weingut Biblia Chora ist nicht nur wegen seiner Architektu­r repräsenta­tiv, die Weissen und Roten des Hauses sind eine sichere Wahl.
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 ?? ?? Das Weingut von George Skouras liegt am Peloponnes, unweit der malerische­n Hafenstadt Nafplio oder Nauplia.
Das Weingut von George Skouras liegt am Peloponnes, unweit der malerische­n Hafenstadt Nafplio oder Nauplia.
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über eine enorme Vielfalt an spannenden
Sorten, die weissen Varietäten haben hier
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Griechenla­nd verfügt über eine enorme Vielfalt an spannenden Sorten, die weissen Varietäten haben hier klar die Oberhand.
 ?? ?? Die Region Naoussa in Makedonien ist als Piemont Griechenla­nds für exquisite Rotweine berühmt. Die kommen von Winzern wie Kostis Dalamaras (Kreis) oder Dimitrios
und Christos Talaras (u.).
Die Region Naoussa in Makedonien ist als Piemont Griechenla­nds für exquisite Rotweine berühmt. Die kommen von Winzern wie Kostis Dalamaras (Kreis) oder Dimitrios und Christos Talaras (u.).
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