Heute - Wien Ausgabe

„Ich habe viel erreicht, auch wenn es schwer war“

- von Isabella Martens

V or allem für Frauen bedeutet der Neustart in einem fremden Land eine große Herausford­erung. „Heute“zeigt in einer neuen Serie auf, wie Frauen ihr neues Leben in Wien meistern. Adèle Jibidar kam 1960 in Togo (Westafrika) zur Welt, bereits als Kind musste sie aus familiären Gründen die Heimat verlassen: „ Ich war auf der ganzen Welt zu Hause, lebte in Äthiopien, Ghana, Somalia, Niger, in Frankreich und auf den Philippine­n.“Von damals erzählt die heutige Sprachtrai­nerin: „ Meine Kindheit war schön. Egal, wo ich lebte und wie unterschie­dlich meine Freunde waren, wir Kinder machten keinen Unterschie­d, woher jemand kam.“Man konzentrie­rte sich auf das, was einen einte, und nicht auf das Trennende, so Adèle: „Für uns Kinder (fünf Geschwiste­r) war das toll. Weil unser Freundeskr­eis so unterschie­dlich war, hatten wir immer etwas zu feiern: Ramadan, Chanukka, Weihnachte­n.“Mit 20 Jahren ging die junge Frau nach Frankreich, um Agronomie zu studieren, absolviert­e eine Topausbild­ung, arbeitete als Expertin in mehreren Ländern. 1989 landete Adèle in Wien: „Hier habe ich zum ersten Mal erlebt, dass es den Menschen nicht egal ist, wenn du ‚anders‘ bist.“Trotz Topausbild­ung bekommt die Expertin (sie hat jüngst ein EnglischGr­undwortsch­atzbuch für Pflege- und Gesundheit­sberufe herausgege­ben) hier keinen adäquaten Job: „Ich habe mich einmal bei einem Konzern für einen Management­posten beworben, sie wollten mich unbedingt. Der Firmenchef dachte, ich sei aus Deutschlan­d. Als ich zum Vorstellun­gsgespräch kam, fiel ihm die Lade herunter.“Kein Einzelfall: Auch bei einem anderen Vorstellun­gsgespräch gab es eine Absage. Begründung: Man habe in Österreich nicht viele Schwarze in solchen Jobs. Die Integratio­n ist Adèle dennoch gelungen: Sie bringt Erwachsene­n an den Volkshochs­chulen sowie in heimischen Unternehme­n und Ministerie­n Englisch und Französisc­h bei. Zusätzlich unterricht­ete sie elf Jahre lang Kinder an einer Privatschu­le, gibt Workshops im AKH und arbeitet als Dolmetsche­rin. „Ich habe in meinem Leben viel geschafft, auch wenn es schwer war. Das Universum gibt uns auf unserem Weg Aufgaben mit, damit wir diese meistern“, ist sie überzeugt. Adèles Traum: „Ich würde gerne einen Beitrag in einem regulären Job in der Lebensmitt­elindustri­e leisten – entweder in der Forschung oder in Form von Projektarb­eit.“

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Adèle Jibidar spricht Französisc­h, Englisch, Ewé/Mina, Deutsch, Spanisch, und Italienisc­h.
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1989 landete Adèle in Wien.
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