„Ich habe viel erreicht, auch wenn es schwer war“
V or allem für Frauen bedeutet der Neustart in einem fremden Land eine große Herausforderung. „Heute“zeigt in einer neuen Serie auf, wie Frauen ihr neues Leben in Wien meistern. Adèle Jibidar kam 1960 in Togo (Westafrika) zur Welt, bereits als Kind musste sie aus familiären Gründen die Heimat verlassen: „ Ich war auf der ganzen Welt zu Hause, lebte in Äthiopien, Ghana, Somalia, Niger, in Frankreich und auf den Philippinen.“Von damals erzählt die heutige Sprachtrainerin: „ Meine Kindheit war schön. Egal, wo ich lebte und wie unterschiedlich meine Freunde waren, wir Kinder machten keinen Unterschied, woher jemand kam.“Man konzentrierte sich auf das, was einen einte, und nicht auf das Trennende, so Adèle: „Für uns Kinder (fünf Geschwister) war das toll. Weil unser Freundeskreis so unterschiedlich war, hatten wir immer etwas zu feiern: Ramadan, Chanukka, Weihnachten.“Mit 20 Jahren ging die junge Frau nach Frankreich, um Agronomie zu studieren, absolvierte eine Topausbildung, arbeitete als Expertin in mehreren Ländern. 1989 landete Adèle in Wien: „Hier habe ich zum ersten Mal erlebt, dass es den Menschen nicht egal ist, wenn du ‚anders‘ bist.“Trotz Topausbildung bekommt die Expertin (sie hat jüngst ein EnglischGrundwortschatzbuch für Pflege- und Gesundheitsberufe herausgegeben) hier keinen adäquaten Job: „Ich habe mich einmal bei einem Konzern für einen Managementposten beworben, sie wollten mich unbedingt. Der Firmenchef dachte, ich sei aus Deutschland. Als ich zum Vorstellungsgespräch kam, fiel ihm die Lade herunter.“Kein Einzelfall: Auch bei einem anderen Vorstellungsgespräch gab es eine Absage. Begründung: Man habe in Österreich nicht viele Schwarze in solchen Jobs. Die Integration ist Adèle dennoch gelungen: Sie bringt Erwachsenen an den Volkshochschulen sowie in heimischen Unternehmen und Ministerien Englisch und Französisch bei. Zusätzlich unterrichtete sie elf Jahre lang Kinder an einer Privatschule, gibt Workshops im AKH und arbeitet als Dolmetscherin. „Ich habe in meinem Leben viel geschafft, auch wenn es schwer war. Das Universum gibt uns auf unserem Weg Aufgaben mit, damit wir diese meistern“, ist sie überzeugt. Adèles Traum: „Ich würde gerne einen Beitrag in einem regulären Job in der Lebensmittelindustrie leisten – entweder in der Forschung oder in Form von Projektarbeit.“