Todesschuss: „Vielleicht war ich es – vielleicht auch nicht“
Ist Shkelzen D. ein Mörder? Oder gibt’s eine mordsmäßige Überraschung am Wiener Landesgericht? Nach dem Todesschuss vor dem Wiener Café Blanco könnte der Angeklagte heute ein freier Mann sein. „Ich habe die Scheiße da gerade gemacht auf der Jägerstraße. Ich wollte das nicht.“– Mit diesem Zitat eröffnete der Staatsanwalt am Montag den ungewöhnlichsten Prozess seit Jahren. Sechs Minuten, nachdem er am Ostersonntag einen Nebenbuhler vor dem Café Blanco getötet haben soll, stellte sich der Angeklagte Shkelzen D. mit diesen Worten auf einem Wachzimmer in WienBrigittenau. Der Staatsanwaltschaft reichten die eingangs zitierten Worte für eine vier Seiten dünne Mordanklage – die gestern zusammenkrachte wie ein von ungeschickten Kindern gebautes Kartenhaus. Denn: Ein ballistisches Gutachten schloss Shkelzen D. ziemlich sicher als Schützen aus. An Händen und Gewand des 28-Jährigen wurden keine Schmauchspuren sichergestellt. Wenn man davon ausgeht, dass er sich in sechs Minuten nicht geduscht und umgezogen haben kann, gerät das Kartenhäuschen arg ins Wanken. Spätestens mit den Zeugenaussagen fiel es gestern: Eine Gruppe Männer habe vor dem Café Blanco ge- rauft – dass Shkelzen D. tatsächlich abgedrückt hat, will niemand gesehen haben. Ein Zeuge deckte eine unglaubliche Ermittlungspanne auf, als er Fotos und Videos vom Tatort zeigte: „Ich habe das schon vor Monaten der Polizei per WhatsApp geschickt.“Richter Olschak sah die Fotos gestern zum ersten Mal. Und der Angeklagte? Der sagte seinen Anwälten Phil- ipp Wolm und Werner Tomanek: „Vielleicht war ich es – vielleicht auch nicht.“Sonst schwieg er. Deckt Shkelzen D. jemanden? Wie auch immer: Heute könnte er frei sein. Oder lebenslang bekommen. Alles ist möglich