Antrags-Flut lähmt
G ewöhnlich beginnen Strafverfahren mit dem Vortrag der Anklage. Der Grasser-Prozess ist anders, das zeigte schon der erste Tag. Denn da kamen die Staatsanwälte bis zum Schluss nicht zu Wort. Grasser-Richterin Marion Hohenecker (36) war früher Staatsanwältin. Sie gilt als eher strenge und harte Korruptionsjägerin. Heuer im Jänner hat sie dem ExFPÖ/BZÖ-Politiker Peter Westenthaler wegen Untreue und schweren Betrugs zweieinhalb Jahre Haft aufgebrummt. In der Urteilsbegründung merkte Hohenecker an: Das arg- von Wolfgang Höllrigl listige Verhalten eines ehemaligen Spitzenkandidaten sei „kein Kavaliersdelikt“. So eine Richterin macht auch einer Chefpartie auf der Anklagebank Angst. Im Grasser-Prozess geht es vor allem um die Frage, ob bei der Privatisierung von 62.000 BuwogWohnungen rund zehn Millionen Euro Schmiergeld geflossen sind. Die Beschuldigten waren früher Großkaliber in Politik, Wirtschaft und Finanz. Von ihren Top-Anwälten erwarten sie Feuerschutz und Tamtam. Der erste Verhandlungstag ging darin unter. Denn Hohenecker konnte zu Beginn nur die persönlichen Daten der Angeklagten abfragen. Dann begann ein Stakkato an Anträgen gegen die Vorsitzende. Grasser-Anwalt Manfred Ainedter schäumte erneut, die Rich-
terin sei wegen Grasser-kritischer Tweets ihres Ehemanns (auch er ist Richter) befangen. Die Verteidiger von Grasser-Trauzeuge Walter Meischberger, von Immobilientycoon Ernst Plech und Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovits legten ausführlich nach. Der Senat wies die Anträge dafür kurzum ab. Und Hohenecker stellte klar: „Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen.“Resultat: Ein Bündel weiterer Anträge – gegen die Sitzordnung, gegen Ermittler im Saal, gegen Enthüllungsjournalist Ashwien Sankholar als Zuhörer. Der Reporter wurde ausgeschlossen, weil er vielleicht als Zeuge gebraucht wird. Andere Zeugen haben bereits abgewunken: Grassers Gemahlin Fiona und seine Schwiegermutter Giori-Lhota. Fortsetzung heute