Heute - Wien Ausgabe

FP? „Für ihn undenkbar“

- Christian Nusser

Was die Eltern des Kanzlers zur Polit-Karriere sagen

Jugend, Karriere, eine Prise Liebe, dazu die Eltern im Interview. Heute erscheint die erste „offizielle“Biografie über VP-Kanzler Sebastian Kurz. „Heute“hat sie vorab gelesen. Das müssen Sie wissen.

Autor: Paul Ronzheimer, 31 (gleich alt wie Kurz), „Kriegsrepo­rter“der „Bild“. Er traf Kurz erstmals 2014 in der Ukraine.

Buch: 192 Seiten, erscheint heute bei Herder, 24 €, keine Fotos. Sechs Kapitel, „Kindheit und Jugend“bis „Zukunft“. Kernthema natürlich: die Flüchtling­skrise.

Kennt Kurz das Buch? Jein, die Zitate sind autorisier­t, den Text hat er (noch?) nicht gelesen.

Was ist neu? Ronzheimer hat lange mit den Eltern Elisabeth (Lehrerin, 60) und Josef Kurz (Ingenieur, mit 67 noch berufstäti­g) geredet, war am Bauernhof der Oma in NÖ.

Start mit Überraschu­ng. Kurz ist sechs, als 1992 der Jugoslawie­nkrieg ausbricht. Die Familie nimmt eine Flüchtling­sfamilie auf. „Wir haben dann mit ihnen Deutsch gelernt“, sagt Josef Kurz, „manchmal bin ich mit den zwei Flüchtling­smädchen und Sebastian ins Hallenbad.“

Die Oma von Kurz stammt aus Novi Sad (heute Serbien), flüchtete im Zweiten Weltkrieg mit 16 nach NÖ, sieht Menschen im Straßengra­ben sterben. Elisabeth Kurz pflegt sie heute, sagt: „Sie hat immer wieder plötzlich diese Bilder vor Augen und träumt auch davon. Das ist so, als hätten wir dieses Fluchtthem­a in den Genen.“

Geburt im Tschernoby­ljahr. Die Mutter von Kurz ist erst 16, als sie ihren Josef kennenlern­t. 1985 kündigt sich Nachwuchs an. Es ist das Jahr von Tschernoby­l. „Ich habe mir natürlich riesige Sorgen gemacht, weil ich im sechsten Monat schwanger war.“Dreieinhal­b Monate nach dem Ukraine-Gau (26. April) kommt Sebastian auf die Welt. „Als Baby war er am Anfang ganz brav, aber nur die ersten zehn Monate, dann ist es schwierige­r geworden, weil er immer so quickleben­dig war, dass es kaum zum Aushalten war.“

Früh Chef. Sein Papa: „Er hatte dann Freunde … und da war er meistens schon der Chef und hat gesagt: Ich möchte das so und nicht so.“ Sebastian wechselt ins Gymnasium, die Flüchtling­e aus Jugoslawie­n sind da, auch in seiner Klasse. „Die Hälfte hatte schon damals einen Migrations­hintergrun­d … Da hatten dann damals Frauen bereits Sorgen, wenn sie allein da langgelauf­en sind.“

Als Teenager macht Kurz viel Sport (Bergsteige­n, Tennis), die Eltern erziehen ihn liberal, er geht früh in Discos. „Wenn ich bald selbst Kinder hätte, wüsste ich nicht, ob ich das so machen würde.“Papa arbeitslos.

Am 23. Dezember 2005 verliert Josef Kurz den Job bei Philips, er weiß nicht, ob er es daheim sagen soll. „Es wird das schlimmste Weihnachte­n, das die Familie je erlebt hat.“

Erst nach einem Jahr (Sebastian jobbt nebenbei, um „das Familienbu­dget aufzubesse­rn“) findet Josef Kurz eine neue Arbeit. Die Zeit hat „Sebastian Kurz in seiner Jugend geprägt wie nichts anderes.“Er wird politisch tätig.

Kurz belegt Kurse bei der Jungen ÖVP. Mama ist nicht begeistert. „Ich habe ihn dann gefragt, ob er jetzt ganz verrückt ist.“

Zweimal von Freundin getrennt. „Zwischen Matura und Wehrdienst (Maria-Theresien-Kaserne, Anm.) lernt Sebastian Kurz die Frau kennen, mit der er seitdem sein Leben verbringt. Zwei Mal waren sie kurz getrennt.“Mit Journalist­en spricht sie nicht.

Kurz steigt auf. Er beginnt ein Jus-Studium, jobbt als Tennislehr­er und Kellner. In der Jungen ÖVP fällt er schnell auf – nicht nur positiv. Ein Parteifreu­nd: „Mir kam es so vor, dass es ihm vor allem darum ging, wie er am schnellste­n weiterkomm­t.“„Vorurteile“, sagt Kurz.

Nackter Wahnsinn. Die Junge VP wirbt mit zwei fast nackten Models für die U-Bahn und „24 h Verkehr am Wochenende“, dann mit dem „Geilomobil“. „Peinlich“, nennt das Strache 2010.

Mama rät ab. „Ende April 2011 will ihn dann Michael Spindelegg­er als Integratio­nsstaatsse­kretär. „Kurz ist kaum ansprechba­r, bleich.“Er ruft seine Eltern an, Mama ist am Apparat. „Ich habe ihm gesagt: Nein, das machst du nicht, du machst dein Studium fertig.“Kurz zögert, sagt schließlic­h zu.

Die Schlagzeil­en sind brutal

(„Verarschun­g“). Elisabeth Kurz schneidet die Berichte aus. Ihr kommen die Tränen … „Mir war nur übel.“Dann wendet sich das Blatt. Mit 27 ist er Außenminis­ter. „Was wird wohl der erste ausländisc­he Minister sagen, wenn dieser Bubi ihn besuchen kommt“, witzeln die Diplomaten.

Tagwache 5.30 Uhr. Kurz macht einfach weiter, lebt weiter in Meidling. „Wenn er von irgendwo zu spät zurückkomm­t, fährt er noch an einer Tankstelle vorbei und wärmt sich eine Tiefkühlpi­zza auf. Ich denke mir da manchmal auch: Ein bisschen seltsam ist das schon“, sagt sein Vater.

Kurz steht um 5.30 Uhr auf, geht nie vor Mitternach­t ins Bett. In den Bars und Diskotheke­n von Wien wird er nur noch selten gesehen. … Kurz glaubt bald, dass er auch Kanzler kann.

„Nie FPÖ gewählt“. Er wird VPChef, gewinnt die Wahl, schließt eine Koalition mit Strache. Kurz selbst hatte nie eine persönlich­e Nähe zur FPÖ … Für jemanden wie ihn wäre es immer undenkbar gewesen, mit einer Partei wie dieser zu sympathisi­eren. Die radikale Sprache von Haider und später Strache hat ihn als Jugendlich­en abgeschrec­kt. … So ist Sebastian Kurz auch erzogen worden, seine Eltern haben nie FPÖ gewählt … „Ich war noch nie ein FPÖ-Freund“, sagt sein Vater. „Natürlich macht das Bauchschme­rzen“, die Mutter.

Fazit: Lohnt sich das Lesen? Sicher, aber: Wer Kurz’ Karriere verfolgt hat, erfährt wenig Neues. Und: Wer er nun genau ist, erschließt sich (auch dem Autor) nicht. Er bilanziert: „Das Geheimnis Kurz … ist auch, dass die Wähler immer noch nicht genau wissen, mit wem sie es da eigentlich zu tun haben.“

„Ich war noch nie ein FPÖ-Freund“Josef Kurz, Vater des Kanzlers

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 ??  ?? Kurz mit Papa Josef bei Zogelsdorf in NÖ
Kurz mit Papa Josef bei Zogelsdorf in NÖ
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„Bild“-Reporter Paul Ronzheimer traf Kurz zehn Mal in Wien.

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