Heute - Wien Ausgabe

Oberrabbin­er: „Man sollte sich selbst nicht so ernst nehmen!“

- Von Isabella Martens

Paul Chaim Eisenberg genießt nicht nur in der jüdischen Gemeinde Kultstatus. Mit „Heute“sprach der Oberrabbin­er Österreich­s über sein neues Buch, eine verpasste Gelegenhei­t und Antisemiti­smus.

„Heute“: Sie schreiben in Ihrem Buch über einen ausverkauf­ten Galaabend im Burgtheate­r, wo Sie Ihren Auftritt 24 Stunden vorher absagten, weil Sie bei einem Begräbnis gebraucht wurden. Was soll im Leben immer Priorität haben? Paul Chaim Eisenberg: Menschlich­keit und Toleranz. Es ist heute in vielen Religionen so, dass Menschen im Namen der Religion fürchterli­che Dinge tun – bis hin zu Terroransc­hlägen.

„Heute“: Würde mehr Humor die Gesellscha­ft besser machen?

P.C.E.: Eines weiß ich: Man sollte sich selbst nicht so ernst nehmen!

„Heute“: In Burschensc­haften wurde die Vergasung einer „siebten Million“Juden besungen – wie sehen Sie diese Enthüllung­en?

P.C.E.: Da vergeht mir das Lachen.

„Heute“: Warum ist der Antisemiti­smus noch immer so präsent?

P.C.E.: Ich kann es mir nicht erklären, auch wenn ich viel darüber nachdenke.

„Heute“: Wie erklärt man einem jüdischen Kind, dass es Hass und Abneigung gegen es gibt?

P.C.E.: Einem Kind ist das schwer zu erklären. Man braucht schon einen guten Magen. Nach der Shoah dachte ich, dass es nie wieder zu Antisemiti­smus kommt, so wie manche Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg dachten, es wird nie wieder Kriege geben.

„Heute“: Kann man bedenkenlo­s in Wien mit Kippa auf der Straße gehen oder raten Sie davon ab?

P.C.E.: Ich rate das nicht, aber ich glaube, es ist nicht gefährlich.

„Heute“: In Ihrem Buch geht es auch um Flüchtling­e. Sollen diese in Österreich bleiben dürfen?

P.C.E.: Wir wollen doch unterschei­den: Flüchtling­e, die um ihr Leben bangen, muss man versuchen zu behalten. Dass wir ganz Afrika in Österreich aufnehmen können, das geht natürlich nicht.

„Heute“: Die Israelitis­che Kultusgeme­inde hat viel Erfahrung mit Integratio­n, Juden sind aus der ExSowjetun­ion und Kleinasien gekommen. Wie geht Integratio­n?

P.C.E.: Das Wichtigste ist, dass man einem Zuwanderer nicht schon an der Grenze eine Lederhose anzieht und ihm Jodeln lernt. Man muss Menschen ein wenig auch ihre Kultur beibelasse­n.

„Heute“: Was haben Sie in Ihrem bisherigen Leben verpasst? P.C.E.: Woodstock 1969. Ich war in der Nähe, hatte aber keine Ahnung, was das ist. Freunde sagten, es ist ein Folkfestiv­al – ich nahm an, es geht um Cowboys. Also fuhr ich nicht hin. Schade.

„Heute“: Wird es irgendwann Frieden auf der Welt geben? ? P.C.E.: Es gab einmal einen alten, pensionier­ten Juden, der sich etwas dazuverdie­nen musste. Er bekam einen Job in einem alten Häuschen – dort musste er Ausschau halten, ob der Messias kommt. Man fragte ihn, ob das wirklich ein guter Job ist. Der alte Mann sagte: Gut vielleicht nicht, aber langfristi­g …“

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„Auf das Leben!“von Paul Chaim Eisenberg, erschienen im Brandstätt­er-Verlag
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Isabella Martens bei Paul Chaim Eisenberg
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