„Ich will ihm in die Augen schauen“
Prozess-Start nach Todesschuss in Kaserne ■ Schwester des Opfers wird dabei sein:
Ihr Urteil steht fest: Bevor kommenden Donnerstag jener Soldat vor Gericht steht, der einen Kameraden mit einer Gewehrkugel tötete, sagt die Schwester des Opfers: „Ich bin von seiner Schuld überzeugt.“
Ali Ü. (22) hat im Oktober 2017 nicht nur das Leben seines Kameraden Ismail M. (20) ausgelöscht, sondern das einer ganzen Familie zerstört. „Um ehrlich zu sein: Es geht uns beschissen. Vor dem Prozess kommt bei uns alles wieder hoch“, erzählt Hanife M., die Schwester des in der Wiener Albrechtskaserne getöteten Rekruten. Ihr Bruder Ismail wurde von seinem Kameraden im Schlaf er-
schossen. Doch war es ein besonders heimtückischer Mordanschlag oder ein entsetzlicher Unfall? „Ich bin von seiner Schuld überzeugt“, so die 24-Jährige.
Was aber macht sie so sicher? „Er hat seine Aussage immer wieder geändert. Zuerst wollte er meinen Bruder angeblich mit dem Gewehrlauf aufwecken, spä- ter will er gestolpert sein. Er sagt nicht die Wahrheit.“Laut Anklage soll Ismail M. seinen späteren Killer immer wieder „sisko“, also Dickerchen, genannt haben.
Drückte er aus gekränktem Stolz ab? „Das wahre Motiv kennt nur der Angeklagte“, sagen Philipp Winkler und Ümit Vural. Eines ist für die von der Opferfamilie engagierten Juristen aber gewiss: „So, wie der Angeklagte den Hergang schildert, kann es nicht gewesen sein.“
Auch Hanife M. glaubt nicht, dass sich eine Gewehrkugel unabsichtlich lösen kann: „Ich werde mich aufraffen und am Donnerstag zum Prozess kommen – ich will dem Angeklagten in die Augen schauen.“Ismail M. wurde indes in Ankara bestattet. Sein Vater Osman (54) flog unlängst ein zweites Mal zum Grab in die Türkei: „Ich wollte mich noch ein Mal alleine von meinem einzigen Sohn verabschieden.“