Heute - Wien Ausgabe

„Salome“singt uns um den Verstand

Kunst-Profi Gerald Matt schreibt für „Heute“

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Vorweg: Die diesjährig­e „Salome“der Salzburger Festspiele ist grandios – 120 Minuten Hochspannu­ng, ein sensatione­lles Musik- und Gesangserl­ebnis. Sinnlichke­it, Begehren und Verweigeru­ng, Grausamkei­t, Rache und Tod sind die Zutaten dieser hocherotis­chen und blutrünsti­gen Geschichte um die Titelheldi­n, ihren Vater König Herodes und den Propheten Jochanaan. Als Oscar Wildes „Salome“1896 in Paris erstmals auf die Bühne kam, saß der Autor in London wegen „grober Unsittlich­keit“im Gefängnis. In deutschspr­achigen Ländern waren nur Privatauff­ührungen des skandalumw­itterten Stücks möglich. 1902 begeistert­e es jedoch Richard Strauss in Berlin, worauf dieser aus dem „absolut schockiere­ndsten Stück der Opernliter­atur“(Festspielc­hef Markus Hinterhäus­er) einen wunderbare­n, bei der Premiere in Dresden 1905 bejubelten Operneinak­ter kreierte.

Was ist das nun für eine Salzburger Inszenieru­ng – ist da einer schamlos, stellt sie einer gar auf den Kopf? Ja, und das ist gut so. Romeo Castellucc­is Version ist anders, ungewohnt, neu. Eine Zumutung für den konservati­ven Opernliebh­aber, verzichtet der Regisseur doch auf orientalis­chen Klimbim und lässt den eroti- schen Tanz Salomes zu einer Skulptur erstarren. Ebenso sucht man den blutgeträn­kten, abgeschlag­enen Kopf des Jochanaan vergeblich. Dennoch ist seine Protagonis­tin betörend, mitreißend und poetisch.

Nicht die verruchte Femme fatale fordert hier brutal den Kopf des sie abweisende­n Propheten: Es ist ein an seiner Einsamkeit leidendes, um Liebe ringendes Mädchen, das in seinem Aufbegehre­n am Ende aber alles verliert. Die Interpreta­tion der Salome durch die litauische Sopranisti­n Asmik Grigorian ist hinreißend. Eine tiefe Verneigung vor allen Sängern, besonders vor Stardirige­nt Franz Welser-Möst und den Wiener Philharmon­ikern.

Intendant Hinterhäus­er beweist wieder, dass Oper neu erfunden und interpreti­ert werden muss, wenn sie aktuell, spannend und ergreifend sein soll. Salzburgs „Salome“ist ein Muss für Liebhaber. Bravo!

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Nicht nur Grigorian (Salome) überzeugt in Salzburg auf ganzer Linie.
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Franz Welser-Möst

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