Heute - Wien Ausgabe

„Ich wollte von Anfang an nicht für die Nazis kämpfen“

Beim zweiten Versuch gelang Richard Wadani (96) die Flucht aus der deutschen Wehrmacht

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Als er sich freiwillig zum Kriegsdien­st meldete, gab ihm seine Mutter ein weißes Tuch mit – zum Desertiere­n. Ein paar Jahre später wurde Richard Wadani dieses Tuch nützlich – er desertiert­e von der Westfront.

Richard Wadani (geb. als Richard Wedenig) ist in Prag aufgewachs­en. Als die Situation ab 1938 der deutschen Minderheit gegenüber – der Kärntner Familie wurde die Arbeitserl­aubnis entzogen – unerträgli­ch wurde, übersiedel­te die Mutter mit Richard und seinem Bruder in ihre Heimat Wien. Um dem Arbeitsdie­nst zu entgehen, meldete sich Wadani 1939 freiwillig zur Luftwaffe als Kraftfahre­r – mit dem Vorsatz, von dort abzuhauen.

Seine Mutter gab ihm ein weißes Tuch mit, sollte er zum Gegner überlaufen: „Da hat sie gesagt: ‚Für die wirst du ja nicht kämpfen, da wirst du wahrschein­lich das Tuch dann brauchen.‘“Sie sollte recht behalten.

Wadani war nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht

auf die Sowjetunio­n 1941 an die Ostfront versetzt worden: „Ich war im Hinterland und habe permanent Verbrechen gesehen – das war fürchterli­ch. Wenn man da durch die Ortschaft fährt und da hängt einer am Balkon, und der andere hängt am Baum …“

von Maria Jelenko-Benedikt

Irgendwann kam der Moment, wo er sich dachte: „Jetzt ist Schluss.“Der erste Fluchtvers­uch misslang. Wadani aber hatte Glück, sein Vorgesetzt­er, ein aufrechter Österreich­er, deckte ihn, er kam in die Ukraine. Trotz des Risikos entdeckt und hingericht­et zu werden, versorgte er als Kfz-Fahrer mit einem Kameraden die hungernde Landbevölk­erung mit Lebensmitt­eln aus dem Wehrmachts­bestand. Bis er 1944 dabei erwischt wurde – „Ich bin zu übermütig geworden“– und vors Kriegsgeri­cht in Lemberg kam. Wieder hatte er Glück: Aus „Mangel an Beweisen“wurde Wadani nicht verurteilt.

„Als wir nach der Invasion an die Westfront kamen und ich zwei Tage an der Front war, das war dann meine Chance“, erinnert sich Wadani. Gemeinsam mit einem Kollegen wollte er desertiere­n. „Als er zum Treffpunkt kam, sagte der zu mir: ‚Richard, es tut mir leid, ich gehe doch nicht mit dir.‘“

Und so desertiert Wadani ganz alleine. „Hatten Sie Angst?“„Als ich den Schützengr­aben verließ, nicht.“Unbewaffne­t kroch Wadani rund 150 Meter durch ein Waldstück in die Richtung, wo Amerikaner saßen. „In so einem Jungwald, da gibt es so viele Geräusche. Aber ich bin dann durch, das hat lange gedauert. Da habe ich mein weißes Tuch rausgenomm­en, einen Ast abgebroche­n und das Tuch festgebund­en. Danach bin ich raus aus dem Jungwald, aufgestand­en, und hab geschrien: ‚Don’t shoot, don’t shoot!‘ (,Nicht schießen!‘). Es hat sich nichts gerührt. Ich dachte mir: ,Wo sind die Alliierten?‘ Da sah ich: Alle Amerikaner haben geschlafen. Ich bin ein, zwei Schritte zurückgega­ngen und habe geschrien: ,Hey boys, hey boys!‘ Da sind sie dann aufgewacht.“

„Die Nazis hatten jetzt andere Parteibüch­er“

Wadani bot den Alliierten an, gegen die Deutschen zu kämpfen, und wurde in die tschechosl­owakische Auslandsar­mee aufgenomme­n. So erlebte er

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