Trump lobt „jungen Kerl“
Kanzler Kurz war 66 Minuten beim US-Präsidenten
Mit 66 Minuten, da fängt das Leben an. 1 Stunde 6 Minuten dauerte gestern das Rendezvous zwischen US-Präsident Trump und dem „sehr jungen Kerl“aus Österreich, von Beruf Kanzler. Was war, worum es ging und wie Sebastian Kurz Trump erlebte – als Mensch.
Und plötzlich gibt es in Washington D.C. lauter weiße Häuser. Wintereinbruch, um 5 Uhr Früh hat es zu schneien begonnen, jetzt liegen drei Zentimeter Pulver da und der (nächste) Notstand bricht aus. Schulen zu, Behörden
zu, keiner geht raus, Autos rutschen mit Sommerreifen herum. Gegen das Wetter lässt sich halt nicht so schnell eine Mauer bauen.
Mittwoch, 13.47 Uhr, der West Wing Entrance steht sperrangelweit offen. Ein Marine tritt mit zackigen Bewegungen vor die Tür und da ist er, Donald Trump (72) leibhaftig, besser leibheftig, denn heftig ist dieser Leib tatsächlich. 110 Kilo auf 190 cm, nachzulesen im aktuellen Medizin-Update.
Wir stehen 15 Meter entfernt, 20 Cams sind aufgebaut, Reporter hampeln hin und her, um sich warm zu halten. Um 13.48 Uhr nähert sich ein schwarzer Chevrolet Suburban. Der Kanzler ist da.
Die Limo des Secret Service hat Sebastian Kurz (32) aus dem Hotel Willard abgeholt, aber Sie müssen sich keine Sorgen machen (oder keine Hoffnungen, je nachdem), er wurde schnurstracks hierher gebracht und nirgendwo anders hin. Als sich der Wagen einbremst, macht Trump ein paar Schritte auf den Kanzler zu. Es wirkt mehr so als würde die „Harmony of the seas“aus dem Hafen von Barcelona auslaufen.
Kurz steigt aus, der erste Händedruck, er dauert nur ein paar Sekunden, keiner wird verletzt. Es schaut eher aus, als würde ein Vater seinem Sohn zur bestandenen Fahrprüfung gratulieren. Trump trägt einen dunkelblauen Anzug, die hellblau gestreifte Krawatte ist wie immer eine Handbreit zu lang. Viele glauben, er kaufe beim „Kleiderhaus zum Eisenbahner“
ein, weil ihm alles immer nur so ungefähr passt. Tatsächlich sind viele Anzüge von Brioni, kosten 5.000 Dollar aufwärts. Geld wurde schon besser angelegt.
Kurz und Trump wechseln ein paar Worte, man hört sie nicht. Vielleicht hat der Kanzler gefragt, ob er sich die Schuhe ausziehen soll.
Muss er nicht. Dann verschwinden die beiden im Gebäude. Im Roosevelt Room trägt sich Kurz ins Gästebuch ein.
Danach geht es schräg gegenüber ins Oval Office, Trump setzt sich links von Kurz, der immer noch die Schuhe anhat, jetzt ist es auch schon egal. Trump lächelt oder was er dafür hält, seine Frisur sieht aus wie ein Weizenfeld, kurz bevor der Mähdrescher kommt. Er sagt schöne Sätze über Österreich („sehr, sehr gute Beziehungen“), lobt Kurz, er sei „ein sehr junger Anführer“, dreht sich zu ihm: „Du bist ein sehr junger Kerl.“Kurz, leicht nervös, antwortet schlagfertig: „Das mit dem Alter wird von Tag zu Tag besser.“Eine Traube von Journalisten steht im Halbkreis ums Paar, nun werden wild Fragen gebrüllt, „Shout-Outs“, sagen die Amerikaner dazu. Trump beantwortet ein paar, dann werden die Reporter rausgeworfen. „Macht er einen guten Job?“, ruft Trump uns nach und zeigt mit dem Finger auf Kurz. „Er macht einen guten Job“, antwortet Trump Trump. Er hört sich selbst am liebsten zu.
Kanzler und Präsident unterhalten sich etwa 30 Minuten unter vier Augen, dann weitere 30 Minuten im Cabinet Room mit den Delegationen, die US-Seite ist hochkarätig. Präsident, Vizepräsident Außenminister, Energieminister, der nationale Sicherheitsberater. Es geht um die Handelsbeziehungen zwischen EU und USA („waren schon einmal besser“), Autozölle, Northstream II, Russland (Trump betont, er habe „ein gutes Verhältnis zu Putin“).
Nach 66 Minuten ist alles vorbei. Trump bringt den Kanzler zur Tür, gibt ihm erneut die Hand, Kurz überlebt auch das. Er steigt in den Chevi, Trump winkt ihm nach, zeigt Daumen nach oben. „Vieles von dem, was man hört, erlebt man dann auch“, sagt Kurz über Trump zu „Heute“. Ein Satz, der für so vieles gilt im Leben