Heute - Wien Ausgabe

Mein erster Opernball: Zwischen Kleiderkri­se und Familienst­olz

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Mein Opernball beginnt mit einem Anruf bei Mama. „Ne mogu da vjerujem“, ruft sie (für alle, die nicht Bosnisch können: „Ich kann es nicht glauben“). Seit sechs Jahren arbeite ich bei „Heute“, nun bin ich das erste Mal auf dem Opernball. Mehr integriert geht wirklich nicht.

2020 ist ein gutes Jahr für

Frauen mit Migrations­hintergrun­d.

Alma Zadić ist Justizmini­sterin,

ich lauere in der Staatsoper Promis auf. Wir sind beide Flüchtling­skinder, beide aus Bosnien. Meine Verwandtsc­haft ist in die halbe Welt verstreut. Von Schweden bis in die USA freut man sich jetzt: „Die Amra geht auf den Opernball.“Freunde und Kollegen bemitleide­n mich. „Da ist alles irrsinnig teuer“, sagen sie, „und extrem viel los.“Die waren wohl noch nie auf einer Balkanhoch­zeit. Okay, für ein Flascherl Mineral würde man vielleicht nicht 7,50 Euro verlangen.

Ein richtiges Ballkleid habe ich das erste und letzte Mal vor zehn Jahren gekauft – für den Maturaball. Spoiler: Es passt nicht mehr. „Du bekommst ein Kleid geliehen“, sagt die Redaktion. Wow! Also ab zum Designer. Dort lande ich schnell am Boden der Tatsachen. Alles zu eng oder mit zu langer Schleppe, wie bitte soll ich da arbeiten? Es kommt mir vor, als würde ich an die 100 Outfits ansehen. Dann endlich, das muss es sein. Um mein Selbstbewu­sstsein etwas aufzupolie­ren, schicke ich meiner Mutter Fotos von mir im Kleid. Ich fühle mich wie eine Prinzessin. Eine, die halt sehr gerne Kuchen isst.

Keine zehn Sekunden später klingelt schon mein Telefon. „Ich habe dein Ballkleid-foto an alle Verwandten geschickt. Wir sind so stolz. Auf den Opernball gehen ja nur reiche Leute“, sagt sie mir, den Tränen nahe. „Bitte schick mir am Freitag ganz viele „Heute“-ausgaben nach Tirol. Die muss ich dann nach Bosnien senden.“

Der Opernball selbst: Ich treffe Stars, Lugner, laufe mir die Füße wund. Bis Mitternach­t sind es vier Kilometer. Mama sitzt daheim, schickt mir ein Selfie von sich vorm Fernseher.

Fazit: Den Opernball kann nur ein Liveberich­t von „Zvezde Granda“, der größten Castingsho­w des Balkans, toppen. Nächstes Jahr vielleicht. Jetzt muss ich zum Postamt …

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