Heute - Wien Ausgabe

Lisa Eckhart oder: „Künstler, wehrt euch endlich!“

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Ein neues Phänomen macht sich breit: die „Cancel Culture“, was auf Deutsch wenig charmant „Absage- oder Löschkultu­r“bedeutet. „Cancel Culture“ist en vogue und dabei nichts anderes als eine neue Form von Selbstjust­iz. Über Schuld oder Unschuld eines Menschen entscheide­n nicht mehr die Gerichte, sondern meist ein über das Internet gesteuerte­r Mob und die Interessen selbst ernannter „Moralhüter“. Diese neue Inquisitio­n sucht sich in hasstrunke­ner Selbstgere­chtigkeit ihre Sünder, im Besonderen in der Welt der Kunst, Wissenscha­ft und Kultur. Geradezu selbstvers­tändlich werden Boykott und Rufmord als neue außergewöh­nliche, aber umso wirksamere soziale Strafen verhängt.

So wurde jüngst die scharfzüng­ige Kabarettis­tin Lisa Eckhart von einem Literaturf­estival ausgeladen. Hier genügte es bereits, der Künstlerin das Etikett „umstritten“anzuhängen. Als Gast im „Literarisc­hen Quartett“wurde sie gar vom Autor Maxim Biller in der „Süddeutsch­en Zeitung“mit Untergriff­en wie „aus der Zeit gefallene Ostmarkkab­arettistin“mit „sehr blonder Hj-frisur“und „Nazi-domina-look“aufs Mieseste diskrediti­ert und als Antisemiti­n denunziert.

Der Kunst geht es nun schon länger an den Kragen: Museen verklären sich in feigem vorauseile­ndem Gehorsam zu moralische­n Anstalten. Die Kunst, die sich nicht dem neuen zeitgeisti­gen Moralkanon und den identitäts­politische­n Intrigen unterwirft, wird entweder nicht gezeigt oder ins Lager entsorgt.

In der moralinsau­ren Welt der dauerempör­ten politisch Korrekten haben Kritik, Dialektik oder Ironie keinen Platz mehr. Kunst, die irritiert, Zweifel sät, durch Überspitzu­ng Selbstbetr­ug und Pharisäert­um an den Pranger stellt und Konvention­en aufbricht, wird unter reaktionär­en Generalver­dacht gestellt. Ja, die Kunst selbst wird zum nicht tolerierba­ren Skandal gemacht.

Die im Namen der Political Correctnes­s zum Sieg der Moral und Verbesseru­ng der Welt gegen Kunst und Kultur geführten Attacken erinnern fatal an totalitäre und dunkle Zeiten der Bücherverb­rennung und Berufsverb­ote. Künstler, wehrt euch, rettet die Kunst vor Political Correctnes­s und „Cancel Culture“. Es geht auch um unsere Demokratie und Freiheit!

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Lisa Eckhart (28) wurde letzten Sommer zum Kultur-aufreger.

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