Schubumkehr in deutscher
Stimmungsumschwung in Berlin: Innenminister und SPD-Chef warnen vor Überlastung und richten scharfe Kritik an Asylsuchende. Sie gehen auf Abstand zu Kanzlerin Merkel.
Der Wutausbruch von Thomas de Maizière war das markanteste Zeichen für die rhetorische Schubumkehr in der deutschen Regierung. Der Innenminister gilt als nüchterner Zeitgenosse, ein Krisenmanager mit preußischer Ruhe. Seit Wochen wiederholt er mantraartig den Satz: „Es fordert uns, aber überfordert nicht.“Sehr zum Ärger seiner Polizeikollegen in den Etagen darunter, die mit dem Kopf geschüttelt haben, weil die Überforderung in Bayern doch für den Chef der inneren Sicherheit offensichtlich sein müsste.
Doch der Minister wollte seiner Regierungschefin nicht in aller Öffentlichkeit in den Rücken fallen, den Kanzlerinnenkurs der offenen Grenze für Schutzsuchende mittragen. Nun platzte Thomas de Maizière der Kragen, er wurde im ZDF-Interview zum Wutbürger. Die große Zahl unregistrierter Flüchtlinge sei ein „ernstes Problem“, so der Minis- ter. „Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein. Sie haben gefragt: Wo ist die Polizei, wo ist das Bundesamt, wo verteilt ihr uns hin?“Das habe sich seither geändert. „Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen“, sagte de Maizière. „Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylwerbereinrichtungen“, führte er aus. Es müsse aber klar gesagt werden, dass von den Asylsuchenden eine „Ankommenskultur“verlangt werde. Dies sei zwar noch eine Minderheit, „aber da müssen wir klar sagen, wer hier nach Deutschland kommt (...), der muss sich dahin verteilen lassen, wohin wir ihn bringen, sich einem fairen Verfahren unterstellen und unsere Rechtsord- nung anerkennen.“Auf seine frühere Aussage angesprochen, antwortete der CDU-Politiker: „Wir schaffen das nicht ohne Weiteres – das ist schon eine große Anstrengung.“
Schuss aus der SPD
Noch deutlicher wurde SPDChef Sigmar Gabriel. Der Vizekanzler sprach im Interview mit „Spiegel Online“von einer „faktischen Grenze“für viele Gemeinden, was die Belastbarkeit durch die Aufnahme von Flüchtlingen